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sie nicht. Weißt du, sie ist eigentlich eine recht interessante Frau. Lass dich nicht von all dem hier täuschen.«
»Sie hat gesagt, dass es ihr Wunsch ist, dass ich wieder zurück nach Wien gehe, und ich will das doch auch.«
Michi setzte sich neben Christian auf die Stiege. »Weißt du, was passiert, wenn sie dich zurückbringen? Dann bist du eine Reklamation. Das möchtest du nicht sein.«
Christian wollte sagen, dass er abhauen werde, sobald er wieder in Wien sein würde. Dass er einem anderen »Helden« geholfen hatte zu türmen, und dass er es selber auch könnte. Aber er wusste nicht, wer dieser Michi eigentlich war und ob er ihm vertrauen konnte.
»Was immer du vorhast«, sagte Michi, »von hier aus wird es dir eher gelingen, als wenn sie dich zurückbringen …«
Christian sah dem Rauch seiner Zigarette nach, der in Richtung Gartentor zog, bevor er sich aufzulösen begann. »Ich muss das überdenken. Gründlich überdenken.«
Eine Stunde später klopfte er an die Tür von Corinnas Schlafzimmer. Sie öffnete ihm, und dann ging alles so einfach, als würde man ein Hemd zur Reinigung bringen.
8
Es war Sonntagvormittag und Caro saß am Balkon ihrer Mutter. Sie rauchte eine Zigarette und nippte an einem Glas Radlberger. Im Hof des Gemeindebaus, drei Stockwerke unter ihnen, saß eine Runde Senioren an einem Tisch zusammen und spielte Karten. Wenn Caro wollte, konnte sie jedes der Worte verstehen, die unten gesprochen wurden, aber sie versuchte sich auf das Gespräch mit ihrer Mutter zu konzentrieren, und die seltsame Abwesenheit, die sich in ihrer Nähe so gerne bei ihr einstellte, nicht zuzulassen.
»Lässt du dich dort unten mal blicken?«, fragte Caro.
Ihre Mutter runzelte die Stirn. »Die sind zwanzig Jahre älter als ich!«
Caro sah genauer hin. »Nein, bestimmt nicht alle, was ist mit der in dem lila Trainingsanzug?«
»Lass das doch, bitte, mir ist nicht langweilig. Wie geht es Roman?«
Caro wich dem Blick ihrer Mutter für einen Augenblick aus, dann fand sie ihn wieder und sagte: »Gut geht es ihm. Es läuft gut.«
»Wird euch die Wohnung nicht zu klein?«
»Nein, wieso, nein. Er ist ein ordentlicher Typ, das weißt du ja.«
Caros Mutter lachte. »Ein Mann, der seine T-Shirts bügelt, das ist … ungewöhnlich!«
»Er bügelt alles«, sagte Caro, »er würde auch die Salatblätter bügeln, wenn ich ihn spüren ließe, dass ich das gar nicht mal so bizarr finde.«
»Sind alle in seiner Familie so?«
»Definitiv«, bestätigte Caro, »alles Kontrolltypen! Seine Mutter beschriftet jedes Tupper und jedes Säckelchen, das sie ins Tiefkühl stellt, hab ich dir doch erzählt!«
»Das ist eigentlich sehr praktisch, man macht es nur nicht.«
»Genau!« Caro lächelte.
Ihre Mutter lächelte zurück. »Und was tut sich in der Werbeagentur?«
Caro nahm einen tiefen Zug an ihrer Zigarette und sprach, während sie ausatmete: »Nicht schlecht, aber ewig mache ich das nicht mehr.«
Ihre Mutter zögerte kurz, dann fragte sie: »Du hast so lange nicht mehr von einem Preis erzählt, den ihr bekommen habt. Und Spots laufen auch keine mehr von dir.«
»Es ist so banal, ich will dir das gar nicht erzählen. Heute sind mir Menschen wichtiger als Preise.«
»Das sollte auch so sein, aber Erfolg ist ja auch …«
Caro unterbrach sie. »Was ist mit dir, wen kennengelernt?«
»Ich?« Caros Mutter verdrehte die Augen. »Die Männer in meinem Alter nehmen sich Vierzigjährige, noch knackig, aber das Thema Kinder schon passé, von denen schaut mich keiner an. Oder sie sehen nur den Kumpel in mir, und das ist mir eben zu wenig.«
»Aber du siehst doch noch so gut aus!«
»Ich bin nicht glücklich, Caro, und das sieht man mir auch an.« Caro schüttelte nur den Kopf, als redete ihre Mutter Unsinn. Ein paar Augenblicke lang schwiegen sie, dann nahm sich die Mutter ein Herz. »Hast du von diesem neuen Markt gehört?«
»Welchem Markt?«
»HÜMANIA. Dieser Menschen-Markt.«
Caro sah ihrer Mutter direkt ins Gesicht, sagte aber nichts. Dann fragte sie: »Hat es geläutet?«
»Hier?«
»Ja, an der Tür!«
»Nein.«
»Ich hab gehört von dem Markt, was denkst du, überall die Werbung!«
Caros Mutter nickte. »Ich dachte schon, vielleicht habt ihr die Werbung für die gemacht! Andererseits …«
»Nein, Mama«, unterbrach Caro sie wieder, »wir haben nicht die Werbung gemacht, das würde unseren anderen Kunden nicht gefallen.«
»Ich mein’ ja nur«, sagte die Mutter besänftigend. »Was hältst du denn
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