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Kauft Leute

Kauft Leute

Titel: Kauft Leute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Korssdorff
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stimmte schon, dass sie sich schwergetan hatte, einen Job zu finden, sie hätte aber ihre Ansprüche nur ein bisschen runterschrauben müssen, und viele Agenturen hätten sie mit Handkuss genommen.
    Warum also?
    Zu einem Teil mochte es an Boris gelegen haben, der sich jetzt an einem unbekannten Ort mit Mister X befand, mitten im freien Fall in Richtung der falschen Seite des Zehnmeter-Sprungbretts. Caro wusste, dass sie nie erfahren würde, was weiter mit ihm passierte, wenn sie nicht unterschrieben hätte. Zum anderen war es wohl die Art und Weise, wie Danesita sie in Windeseile zu seiner Vertrauten gemacht hatte. Er hatte sie so schnell in alles eingebunden und ihr das Gefühl vermittelt, dass ihre Meinung etwas zählte – verunsichert wie sie war, wäre es ihr schwergefallen, ihn vor den Kopf zu stoßen und den Job abzulehnen.
    Und dann war da noch eine Sache …
    Am Tag der Eröffnung hatte sie neben all den Gefühlen, die sie von diesem Ort abstießen und die ihr sagten, dies sei einfach nicht richtig, auch noch etwas anderes empfunden: Diesem Kaufhaus, diesem ganzen Konzept und diesen Käufern gehörte die Zukunft. All das passte erschreckend perfekt in die Zeit und zu den Leuten von heute. In einer Welt, in der sich Produkte bloß um Nuancen unterschieden, in der Marken mit konstruierten Images um Aufmerksamkeit bettelten, hatten findige Menschen einen neuen Markt geschaffen, der so vital und anziehend war, dass man sich ihm nicht entziehen konnte. Und sowenig sie sich auch damit identifizieren konnte, so sehr wollte sie dennoch dabei sein. Vielleicht als Widerstand innerhalb des Systems, als Stimme der Vernunft, ein menschliches Regulativ. Auf jeden Fall aber
dabei
. Wenn das große Schiff ablegte, wollte sie an Bord sein.
    All dies hätte sie Max erzählen können, aber sie fürchtete, dass er dann auch mit seinen Geschichten herauskommen würde, und dann gäbe es zu den kleinen Pommes Sex auch noch einen großen Burger Zwischenmenschliches, den sie derzeit einfach nicht hinunterbringen würde.
    Am Morgen des nächsten Tages betrat Caro das Bürogebäude von HÜMANIA, das sich zwischen den sechs Häusern mit den Präsentationsflächen und jenem Trakt befand, in dem die Helden nachts und am Wochenende untergebracht waren. Sie trug einen Hosenanzug und Schuhe mit Absätzen, die Haare hochgesteckt und einen schmale, schwarze Business-Tasche, in die gerade mal ihr kleines MacBook, ein Block und eine Ausgabe der Marketingzeitung
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, die sie demonstrativ auf ihren Schreibtisch legen wollte, als Symbol für Branchenwissen und Weiterbildungsfreude, passten. In der Lobby wurde sie von einer Rezeptionistin begrüßt, die sie professionell freundlich empfing und mit einem Access-Key ausrüstete, mit dem sie Zugang zu den wichtigsten Ein- und Ausgängen erhielt. Im Erdgeschoß begegnete Caro fast ausschließlich Männern in schwarzen Anzügen und Frauen in Business-Kostümen oder Hosenanzügen, wie sie einen trug, und Caro dachte, sie hätte ihren Look richtig gewählt. Wie sich aber herausstellte, befanden sich im Erdgeschoß die Aquisitions- und Buchhaltungsabteilungen, nicht jedoch das Marketing. Im dritten Stock, wo ihr Büro war, kamen ihr junge Mitarbeiter in Jeans und T-Shirt entgegen. Und als sie im Flur zuerst beinahe über ein vorbeiflitzendes ferngesteuertes Auto stolperte und kurz darauf von einem von Zimmer zu Zimmer geworfenen Häckisäck am Arm getroffen wurde, wusste sie, dass sie sich beim Outfit vergriffen hatte. Offensichtlich war das HÜMANIA-Marketing eine junge, spaßorientierte Abteilung mit flachen Hierarchien, flachen Schuhen und lockeren Umgangsformen. In den Gängen standen Früchtebars und Saftmaschinen, aus einem der Zimmer hörte sie Hip-Hop, und als Caro kurz in der Toilette verschwand, um sich für ihr Treffen mit Danesita frisch zu machen, entdeckte sie einen Automaten, aus dem man gratis Kondome, Tampons und Mini-Deodorants ziehen konnte. Caro flüsterte »I like …« und drückte viermal auf den Knopf für die Deos, die sie in ihren Jackentaschen verschwinden ließ.
    Wieder auf dem Flur fragte sie eine vorbeieilende Angestellte nach Danesitas Büro. Das Mädchen zeigte den Gang hinunter und rief: »Bis es leise und unheimlich wird!« Caro ging den lichtdurchfluteten Gang hinunter, vorbei an Großraumbüros, in denen bis zu sechs Tische standen – die üblichen kreativen Spielzimmer für Grafiker und Webentwickler, die sie aus diversen Agenturen kannte –, bis sie an einer

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