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Kauft Leute

Kauft Leute

Titel: Kauft Leute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Korssdorff
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Träumerin. Sie sind eine Macherin!«
    Caro runzelte die Stirn, aber eigentlich genoss sie es, dass jemand anderer das in ihr sah, was sie selbst nicht mehr in sich finden konnte, und es spielte in diesem Moment auch überhaupt keine Rolle, dass sie Danesitas Urteil keine zwei Meter weit traute.
    Als sich die Schiebetüren vor ihnen öffneten, fanden sich die beiden in einer Art Odeon wieder. Von der Höhe, wo der Flur in den Raum mündete, verliefen Sitzreihen halbkreisförmig in Stufen einen Saal hinunter, bis vor eine Bühne, die durch Scheinwerfer erleuchtet war. Etwa die Hälfte der Sitze war besetzt, es herrschte aber ein stetiges Kommen und Gehen, Niedersetzen und Aufstehen, sodass nie völlige Ruhe im Saal herrschte.
    Die Zuschauer saßen im Dunkeln, und nur das Leuchten der Monitore, die wie in Flugzeugen an der Rückseite der Sitze montiert waren, machte es möglich, das eine oder andere Gesicht eines Besuchers in der Schwärze zu erkennen. Danesita setzte sich in der Mitte des Saals nieder, und Caro nahm neben ihm Platz. Noch war die Bühne leer.
    Danesita beugte sich ein Stück zu Caro hinüber. »Wissen Sie, was ich am meisten an Casting-Shows mag?«
    »Nein, was denn?«, zwang sich Caro nachzufragen.
    »Alles!«
    »Ja wirklich?«
    »Ja. Die Talente, die wie aus dem Nichts auftauchen. Die spannenden Lebensgeschichten. Zusehen, wie sich die Kandidaten steigern und über sich hinauswachsen. Wie Freundschaften und Rivalitäten entstehen. Die Gänsehaut, wenn eine junge Frau
All By Myself
singt und das erste Mal ihr Vater im Publikum sitzt, der die Familie vor vielen Jahren im Stich gelassen hat! Oder wenn ein Homosexueller, der immer mit Vorurteilen zu kämpfen hatte,
It’s Raining Men
oder
Dancing Queen
präsentiert und total aus sich herausgeht! Oder die Mauerblümchen, die im Heimwerkermarkt an der Kassa sitzen, aber eine Stimme in sich haben wie die Streisand! Was denken Sie über Casting-Shows, Caro?«
    »Ich halte es da wie mit Fastfood. Ich bin prinzipiell dagegen, konsumiere es mitunter jedoch maßlos.« Caro lächelte zufrieden, wie man es manchmal tut, wenn man die Wahrheit in einen kompakten Spruch packen kann.
    Danesita schien irritiert zu sein: »Darf ich fragen, warum Sie aus Prinzip gegen das einzig originäre Unterhaltungsformat des 21. Jahrhunderts sind?«
    »Also zuerst einmal würde ich mit Sätzen wie diesem vorsichtig sein, wenn Sie nicht von den Machern von
Farmville
verklagt werden wollen. Ansonsten muss ich Ihnen antworten, dass in Casting-Shows Talente für Quoten ausgebeutet werden, erst mit Knebelverträgen gebunden und entmündigt und schließlich bei Erfolglosigkeit fallen gelassen werden. Die Bewerbe werden so manipuliert, dass die Kandidaten mit den krassesten Geschichten weiterkommen, andere bekommen ein Image übergestülpt, an dem sie mitunter auch zerbrechen. Fast alle Gewinner von Casting-Shows landen bald wieder in der Versenkung und die, die bleiben, nerven irgendwann nur noch. Casting-Shows werden nicht gemacht, weil man Talente sucht, sondern Werbekunden. That’s it.«
    Danesita spitzte die Lippen und verengte die Augen, wie Caro es schon ein, zwei Mal bei ihm gesehen hatte. Dieser Ausdruck bedeutete: Ich verstehe deinen Standpunkt, teile ihn jedoch nicht, und werde so lange ernst und skeptisch dreinschauen, bis du freiwillig ein gutes Stück von deiner ursprünglichen Haltung abrückst.
    Nach ein paar Momenten sagte er: »Sie glauben, es ist schändlich, wenn mehrere von der Erfüllung des Traums eines Einzelnen profitieren? Der sportliche Triumph, an dem das Team mitpartizipiert. Der eine famose Roman, der Ansporn für eine ganze Generation von Schriftstellern ist? Die Traumhochzeit, mit der jemand gutes Geld verdient?«
    »Von Sportevents lasse ich mich genauso blöd begeistern wie vom Finale einer Casting-Show, das mir in dreihundert Promo-Spots nahegebracht wurde, aber mir kommen die großen Sportverbände so integer und glaubwürdig vor wie Waffenschieber oder Organhändler. Und ich finde die Fanzonen furchtbar, wo es nur eine Sorte Bier gibt und die kostet 6 Euro. Traumhochzeiten sind meistens Instrumente der Selbstinszenierung und ähneln archaischen Triumphzügen nach der Schlacht am Singlemarkt, aber wenn
er
unbedingt will, würde ich mich schon niederargumentieren lassen. Was war das dritte? Genau, der große, famose Roman. Ansporn für eine Generation von Schriftstellern. Das ist nicht so ganz mein Metier, aber ich vermute, dieser große Roman spornt in

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