Kauft Leute
entschlossen, mit den Missständen hier aufzuräumen. Sie war nun keine Werbemaus mehr, sie war eine Anwältin der Sprachlosen.
Zehn Minuten später waren Caro(lin) und die junge rumänische Putzfrau Caralina – die Namensähnlichkeit brach sofort das Eis zwischen den Frauen – zurück im Interviewraum.
Caralina gehörte zu jener neuen Putzfrauengeneration, die die Söhne aus besserem Haus neuerdings dazu veranlasste, daheim zu bleiben, wenn Bedienerinnentag war. Sie war Mitte zwanzig, trug enge Leggins und rosa Sportschuhe und bewegte sich bei der Arbeit, als genieße sie ihr Workout.
Caro bat ihre Dolmetscherin, den jungen Mann nach seinen Fähigkeiten und Zielen zu befragen. Er, der natürlich erfreut war, von einer gleichaltrigen Frau in seiner Muttersprache befragt zu werden, begann sofort zu erzählen. Caralina hörte zu und hakte immer wieder nach.
Als er geendet hatte wandte sich die Putzfrau Caro zu und sagte: »Der ist ganz nett! Er stammt aus Alba Iulia, das ist nicht weit von mir daheim. Wir kaufen beim gleichen Großmarkt ein!«
»Und? Was macht er so?«
»Er sagt, er hat als Automechaniker gearbeitet und als LKW-Fahrer.«
Caro nickte begeistert: »Er ist ein Mechaniker, schau an! Und ein LKW-Fahrer.« Sie strafte Dennis mit einem triumphierenden Seitenblick.
Caralina freute sich mit Caro, wog dann aber nachdenklich den Kopf. »Ich glaube aber, dass er lügt.«
»Aha, und wieso?«, fragte Caro mit nachlassender Euphorie.
»Er hat sich nicht an die Namen der Firmen erinnern können, bei denen er gearbeitet hat, und er wollte wissen, ob ich mir etwas als Tänzerin dazuverdienen möchte und so. Na ja, das ist ein kleiner Gauner. Aber er sagt, er ist ein Talent im Messerwerfen, er hat nur gerade keines dabei.«
»Danke, Caralina, ich werde das einarbeiten.«
Caro rieb sich die Augen und spürte eine mächtige Müdigkeit auf sich zurollen.
Ihr zweiter Interviewpartner war ein älterer Mann, und er sprach Deutsch. Caro begann ihre Unterhaltung in etwa mit den gleichen Worten wie bei dem jungen Rumänen, mit dem Unterschied, dass ihr Gegenüber sie nun verstehen konnte. Außerdem betonte sie jetzt, dass sie nur helfen konnte, wenn man ihr die Wahrheit erzählte.
Der Mann, der brav und aufrecht auf dem Klappstuhl saß, begann daraufhin seine Geschichte zu erzählen: Wie er als Arbeiter in der Sprengstoff-Branche mit 55 in Mindestpension geschickt worden war, wie seine Frau kurz darauf an einem Tumor gestorben war, wie er ein Jahr später eine junge Frau kennengelernt und nicht gemerkt hatte, dass es ihr nur um sein mickriges Erspartes ging. Wie ihm ihr Bruder, der natürlich nicht ihr Bruder war, eines Nachts das Messer an die Kehle gesetzt, und er der jungen Frau das Haus überschrieben und ihr seine Rücklagen überwiesen hatte.
Der Alte beendete seinen Bericht mit den Worten: »Ich bin vielleicht ein Riesentrottel, aber ich kann arbeiten. Man hat mir gesagt, hier wäre ich noch vermittelbar!«
Caro kämpfte mit den Tränen, während Dennis ungerührt SMS-Nachrichten in die Welt rausschickte. Sie beugte sich zu dem Mann hinüber und fragte ihn, was er denn für Fähigkeiten besitze. Er begann zu erzählen, und Caro notierte sich eifrig alles. Als er fertig war, versprach ihm Caro, dass sie ein besonders imponierendes Profil für ihn schreiben werde und er bestimmt noch eine Chance bekäme. Als Dennis ihn rausgeführt hatte, spürte sie immer noch den Drang zu weinen, anstatt der Tränen stellte sich aber nur Kopfweh ein. Sie beschloss, auch ihr neues Büro in ein Raucherzimmer zu verwandeln.
Als Dennis wieder im Zimmer erschien, war er in Begleitung einer etwa zwanzigjährigen, ein Meter siebzig großen, bemerkenswert hübschen Schwarzhaarigen. Sie trug Jeans, Winterstiefel und eine rote Regenjacke, rutschte in den Sessel gegenüber Caro, stützte ihre Ellbogen auf ihre Knie und das Kinn auf beide Fäuste. Sie starrte Caro mit ihren schönen dunklen Augen an, und Caro hätte schwören können, dass sie auf Droge war. Sogar Dennis vergaß für ein paar Augenblicke auf sein mobiles Entertainment-Device.
»Können Sie mich verstehen?«, begann Caro zaghaft das Gespräch.
Das Mädchen antwortete nicht, sondern fasste in die Taschen ihrer Jacke und zog ein Taschentuch heraus. Sie überreichte es Caro. Dazu deutete sie auf ihre Augen und wies sie auf die verlaufene Wimperntusche hin. Caro zögerte einen Moment, dann bedankte sie sich und brachte ohne Spiegel notdürftig Ordnung in ihre
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