Kauft Leute
kannte Caro immerhin die Namen und Funktionen der Anwesenden. Doktor Moffat, der ihr die absurde Notiz geschickt hatte, war ein braun gebrannter, blendend aussehender Sanguiniker von Mitte vierzig, der in seinen Laufsachen zum Meeting erschienen war und wenig Interesse daran zu haben schien, es unnötig in die Länge zu ziehen. Magister Fiala, ein ehemaliger Fachhochschullehrer, war etwa im selben Alter wie Moffat, besaß jedoch nicht dessen auf romantische Selbstverliebtheit basierende Gelassenheit. Er trug einen Rund-um-den-Mund-Bart, der auch
Henriquatre
genannt wurde, wie Caro als ehemalige Textchefin des Friseurmagazins SHAVE wusste, der genau den Eindruck erweckte, den ein Bart nicht hervorrufen sollte, nämlich sein Träger wolle etwas verstecken, zum Beispiel sich selbst. Dazu trug er einen Kinderhaarschnitt und kontrapunktisch die Pullover-Kordjackett-Kombination des gereiften Mannes, den sein Aussehen keinen Deut mehr schert. Bernd und René, beide Mitte zwanzig, repräsentierten das Web- und Videoteam von HÜMANIA. Sie trugen teure Skaterklamotten und sendeten in jeder Sekunde des Meetings die unterschwellige Botschaft aus, dass sie all das hier nicht im Entferntesten interessierte und ihre Anwesenheit eine ans Perverse grenzende Verschwendung ihrer Zeit und Fähigkeiten bedeutete. Ursula war die Chef-Stylistin, die den Look der Helden zu verantworten hatte. Sie musste wohl Ende dreißig sein, eine herbe, aber attraktive Naturblonde, die das wiederkehrende Meeting mit einer Mischung aus besonnener Professionalität und Resignation ertrug. Bettina schließlich schien die Projektleiterin dieser Veranstaltung zu sein, sie war jünger als Caro, bemüht, überfordert und unnachgiebig um jeden Zentimeter ihrer Kompetenz kämpfend.
Als alle Platz genommen hatten und mit Kaffee und Mineral versorgt waren, begann Bettina das Gespräch, indem sie ihre Freude darüber ausdrückte, dass mit Caro endlich jemand die so wichtige Aufgabe der Positionierung der Helden und Textgestaltung ihrer Profile übernommen habe. Man habe das bisher
mehr so im Team
gemacht und die Ergebnisse seien nicht immer optimal gewesen. Fiala meldete vorsichtig Widerspruch an, so schlecht sei es ihnen wohl bisher auch nicht gelungen, und Caro merkte, dass er dieses Amt inzwischen als Teil seines Kompetenzbereiches betrachtete.
Ob die Neue im Team vielleicht ein bisschen etwas über sich erzählen wollte?
Caro berichtete über ihre Zeit in der Werbung, welche Kunden sie betreut und welche Bereiche sie textlich und konzeptionell schon abgedeckt hatte.
Bettina wollte wissen, ob es einen bekannten Werbespruch gebe, der von Caro stammt. Die Runde wartete auf Caros Antwort mit jener Mischung aus Neugier und Herablassung, die Caro nur zu gut kannte.
Sie nannte wahllos einige bekannte Marken-Claims, die allesamt nicht von ihr waren. Sie hatte es vor langer Zeit aufgegeben, jemandem erklären zu wollen, warum das Erfinden von Slogans nicht zu den Hauptaufgaben einer Texterin zählte.
Ahas und Ohos.
Doktor Moffat fragte Caro, ob sie den Kreativdirektor Stegwicz kenne, er habe den Auftritt des Ärztezentrums entwickelt, das er, Moffat, im Vorjahr gegründet habe.
Caro kannte den genannten Mann tatsächlich, er war ein sexbesessener, glatzköpfiger Däumling aus Düsseldorf, über den man sich nur das Schlimmste in der Branche erzählte, was einen jedoch nicht annähernd auf eine persönliche Begegnung mit ihm vorbereiten konnte. Dennoch kannte Caro mindestens vier Frauen, die mit ihm geschlafen hatten, zwei von ihnen auf der Rückbank seines VW Käfers, den er überall in zweiter Spur parkte und in jeder Phase der Alkoholisierung bewegte.
Moffat setzte hinzu, dass sie befreundet seien, und Caro bestätigte ihm, dass Stegwicz ein feiner Kerl und ausgezeichneter Werber wäre.
»Ist er Ihnen nicht etwas zu …
direkt
?«, fragte Moffat süffisant, und dabei schien er an eine ganz bestimmte Aussage oder Anmache Stegwicz’ zu denken, den er offensichtlich für seine vollkommen unreflektierte Versautheit bewunderte.
Caro tat so, als ob sie überlegte, und antwortete dann: »Ach, wir Frauen mögen das ja ganz gerne, wenn man uns so direkt kommt, nicht?«
Moffat runzelte ein wenig die Stirn, als wäre er da anderer Meinung, aber Caro vermutete doch, dass er genau das zu hören gehofft hatte.
Fiala fragte Caro säuerlich, ob sie mit dieser rundum erstrebenswerten Direktheit auch an die neuen Profiltexte heranzugehen gedenke, und wie sich das gerade
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