Kauft Leute
einem roten Vintage-Auto zeigte.
»Das ist ein toller Wagen, was ist das für einer?«
»Ein 67er Opel Commodore Coupé.«
»Ein Commodore?«
»Es gibt in ganz Europa vielleicht noch ein paar Dutzend davon in vorzeigbarem Zustand, und die meisten davon stehen in Garagen oder in Museen. Meiner wurde aber immer gefahren, es ist mir unbegreiflich, ein Auto zu besitzen, das man nicht bewegt. Ach ja,
Commodore
… – ich war nicht bei der Marine.«
»Wo ist er jetzt?«, fragte Caro.
»Das«, sagte der Kommodore, »möchte ich auch gerne wissen, man hat ihn mir weggenommen.« Er blickte auf die Wanduhr in seinem Zimmer. »Wir haben wohl nicht mehr viel Zeit. Der Markt schließt gleich, dann kommen die übrigen Männer aus den Schaufenstern zurück und hier wird dichtgemacht bis morgen früh. Ich möchte Sie etwas fragen: Was passiert mit den Neuzugängen, mit dem Alten und dem Mädchen, Mona?«
Caro wusste, dass sie den Helden solche Informationen nicht geben durfte, aber wenn Sie wählen musste, wem sie sich anvertraute, dem Kommodore oder dem Doktor, dann fiel die Wahl leicht. »Der Alte wird nicht bleiben, er ist krank. Was mit Mona passiert, weiß ich nicht. Wenn sie nicht spricht, wird sie wohl wieder ins UHU-Haus kommen.«
Der Kommodore setzte sich auf und näherte sich mit seinem Gesicht Caros. »Sie spricht schon. Versuchen Sie es, wenn sie schläft!« Caro sah den Kommodore an, als hätte sie sich verhört, aber er nickte nur: »Wenn sie schläft, glauben Sie mir! Sie sollte nicht mehr in dieses Haus müssen, bitte bemühen Sie sich.«
»Dann habe ich auch noch eine Frage«, sagte Caro. »Wissen Sie, wo der junge Mann aus dem Wiener Café jetzt ist? Boris.«
Der Kommodore lächelte. »Jetzt wird es interessant. Wenn Sie wissen wollen, wo Boris ist, müssen Sie
Mr. X
finden, wie er genannt wird. Und wissen Sie, wie Sie das anstellen, Caro? Es ist ganz einfach: Sie müssen nur mein Auto finden!«
Eine Stunde später saß Caro auf der Couch ihres Büros und betrachtete die riesige gerahmte Fotografie, die an der Wand gegenüber der Sitzgruppe hing. War sie neu aufgehängt worden, oder hatte Caro sie bloß nicht wahrgenommen? Das war allerdings schwer vorstellbar … Sie zeigte einen gigantischen, in den HÜMANIA-Farben türkis und gelb gehaltenen Zeppelin, der über einer Stadt schwebte. Der Unternehmensschriftzug war – gemessen an dem Träger der Werbung – geradezu dezent im hinteren unteren Bereich des Luftschiffs positioniert worden. Caro konnte sich nicht erinnern, so ein Ding jemals mit eigenen Augen gesehen zu haben. Sie kannte auch niemanden, der je einen Zeppelin betreten hatte oder gar damit geflogen war. Wurden sie immer noch gebaut? Waren sie nicht Todesfallen? Leicht brennbar, schwer manövrierbar. Die Passagiergondel außerdem lächerlich klein im Vergleich zum kolossalen Ballon. Caro hatte für Kunden alle möglichen Flächen bedrucken lassen, Hausfassaden, Busse, Einkaufswagen, U-Bahn-Züge, aber keiner hatte je nach einem Zeppelin gefragt, und keinem war dies in ihrer Agentur je angeboten worden. Sie hatten zu klein gedacht.
Es war schon dunkel in ihrem Büro, dunkel und still. Nur der Kühlschrank gab ein leises, einschläferndes Summen von sich. Caro öffnete ihn und fand ihn zu ihrer Überraschung gefüllt vor. Sie nahm ein kleines Bier heraus, drehte es auf und stellte sich ans Fenster. Sie sah auf den Parkplatz des Markts, der sich fast völlig geleert hatte. Die letzten Besucher fuhren die Rolltreppen vom Gastro-Ring hinunter. Der Wind, der inzwischen aufgekommen war, riss an ihren Haaren. Ein Mistkübel am Parkplatz hatte unter dem Druck des Mülls nachgegeben, sein Inhalt war unten herausgeplatzt und wurde nun vom Wind über den Platz gefegt, bis er sich an Autoreifen oder dem Zaun des Geländes verfing. Gerade als Caro die Häuser des Markts näher betrachtete und sich überlegte, dass sie erst vier davon auch von innen gesehen hatte, öffnete sich eine Flügeltür an der Rückseite von HAUS 5 und ein Kleinbus parkte vor dem Eingang. Ein Mann aus dem Haus und der Fahrer des Busses wechselten ein paar Wörter durch das Fenster des Wagens. Dann schien sich ihnen jemand aus dem Inneren des Hauses zu nähern, denn der Fahrer sprang aus dem Wagen und öffnete die seitliche Schiebetür des Vans, während der andere Mann seitlich in Position ging und in sein Walkie-Talkie sprach. Als die Menschenkette schließlich aus dem Haus trat, über den Asphalt des Eingangsbereichs ging und
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