Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kauft Leute

Kauft Leute

Titel: Kauft Leute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Korssdorff
Vom Netzwerk:
Märchenonkel weg positionieren, Sie arbeiten aber gerade daran, diesem Bild noch mehr zu entsprechen!«
    Der Kommodore schmunzelte über Caros Bemerkung. »Eigentlich bin ich Historiker, aber vielleicht sattle ich auf Märchenonkel um. Denen hört man zu.«
    »Ich höre Ihnen zu«, sagte Caro, »erzählen Sie mir etwas über die Geschichte.«
    »Gut«, erwiderte der Kommodore, »wie Sie wollen. Warten Sie, ja, das ist interessant: Sie kennen doch bestimmt das Volk der Spartaner!«
    »Jaaa, die kennt man.«
    »Genau. Aber kennen Sie auch das Volk der Heloten?«
    »Nein, ich glaube nicht.«
    »Das Schicksal dieser zwei Völker ist aber nicht zu trennen. Während sich die Spartaner auf die Kunst des Kampfes und ihre militärische Ausbildung konzentrierten, bestellten die Heloten die Felder der Spartaner und verrichteten die Handwerksarbeiten in Sparta. Warum taten sie das? Weil die Spartaner sie zwangen. Jedes Jahr erklärten sie den Heloten rituell den Krieg. Damit wuschen sie sich im Voraus von allen Misshandlungen und Tötungen frei, die sie diesem Volk im Laufe des Jahres antaten. Doch je mehr Hass zwischen den zwei Gruppen geschürt wurde, desto vorsichtiger mussten die Spartaner sein. Sie mussten sich gegen mögliche Angriffe der Heloten wappnen. Das machte es ihnen zeitweise sogar unmöglich, kriegerische Auseinandersetzungen mit Feinden von außen zu führen. Aber sie beharrten stur auf ihrem System, das ihnen verschiedene Vorteile brachte: Sie mussten sich nicht um die Wirtschaft kümmern, sie brauchten sich nicht beruflich zu differenzieren, es gab keine Klassenunterschiede innerhalb ihrer Gemeinschaft. Und doch befanden sie sich trotz ihrer legendenhaften Stärke die ganze Zeit in der
Abhängigkeit
eines unterdrückten Volkes, das ihre Ernte einbrachte und ihre Häuser instand hielt.«
    Caro wog nachdenklich ihren Kopf. »Das war mir neu.«
    »Und was, denken Sie, könnte uns das spannungsvolle Verhältnis zwischen Spartanern und Heloten heute sagen?«
    Caro überlegte für einige Augenblicke. »Ich würde sagen, dass Macht auch Schwäche bedeutet. Denn wenn Macht zu einem
Full Time Job
wird, besitzt man irgendwann keine andere Fähigkeit mehr, als Macht auszuüben. Und diejenigen, über die man Macht ausübt, werden mehr Wissen, Fertigkeiten und Talente besitzen als man selbst.«
    Der Kommodore war mit seinem Würfel fertig geworden. Er warf ihn Caro zu und sagte: »Korrekt. Oder zumindest
eine
mögliche Schlussfolgerung. Kennen Sie übrigens die Antwort auf die Frage, was ein Historiker eigentlich macht?«
    »Vermutlich nicht.«
    »Er steht morgens auf, geht duschen, trinkt einen Kaffee, und dann steigt er ins Taxi und hofft, dass ein paar Leute mitfahren wollen.« Der Kommodore lachte auf und bohrte sich lustvoll in einem Ohr. »Jedenfalls kenne ich einige Kollegen, auf die das zutrifft.«
    »Und wie war das bei Ihnen«, fragte Caro, »sind Sie auch direkt aus dem Taxi hierhergekommen?«
    Der Kommodore forderte seinen Würfel zurück und mischte ihn neu. »Nein, bei mir war es anders. Ich hatte meine Professur, meine Studenten, mein Forschungszimmerchen – und meine Assistentin. Dann kam es zwischen mir und dieser jungen Frau zu einigen Szenen, über deren Bedeutung die größtmöglichen Auffassungsunterschiede bestanden. Und auf einmal wurde aus dem Allerprivatesten das Alleröffentlichste, die Wände des Persönlichen brachen nach allen Seiten um und mir wurde nahegelegt, meine Professur niederzulegen. Das fiel mir zu diesem Zeitpunkt auch schon relativ leicht und ich strebte eine neue Existenz als fahrender Vortragskünstler an. Mein multimedialer Vortrag über die Weimarer Republik war ein Klassiker, der von Volksbildungsinstituten im ganzen deutschsprachigen Raum geschätzt und geordert wurde. Es war eine gute Zeit. Ich fuhr mit meinem geliebten Auto kreuz und quer durch Mitteleuropa, unterrichtete Menschen, die sich tatsächlich für das interessierten, was ich ihnen erzählte, und machte die anregendsten Bekanntschaften.
On the Road with History
hieß mein Programm. Googeln Sie es mal, es würde mich interessieren, ob die Website noch existiert. Dann kam es allerdings zu einer wirklich unheilvollen Verbündung der Kräfte gegen meine Person, und ich wurde gezwungen, auch dieses Leben aufzugeben. Dies hier war der logische nächste Schritt. Sehen Sie mal, das ist ein Foto aus besseren Tagen!« Der Kommodore reichte Caro ein Foto, das ihn mit etwas vollerem Haar in einer edlen dunklen Lederjacke vor

Weitere Kostenlose Bücher