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Kauft Leute

Kauft Leute

Titel: Kauft Leute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Korssdorff
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einer nach dem anderen in den Bus stieg, bekam Caro eine Gänsehaut, die sie bis in die kleine Narbe an ihrem Hinterkopf spürte, die von einem Fahrradunfall vor langer, langer Zeit stammte, denn das dort unten am Parkplatz waren die Kinder.
    Sie gingen Hand in Hand, immer zwei nebeneinander, immer ein großes und ein kleines. Keines war jünger als drei, keines älter als vielleicht neun. Sie trugen Jacken und Mäntel und die Kleinen sogar Schals, einige hatten Rucksäcke mit Lichtreflektoren. Zwei Betreuerinnen waren bei ihnen und zählten sie ab, als sie in den Bus kletterten. Dann stiegen auch sie ein, und der Wagen fuhr ab.
    Jetzt fiel es Caro plötzlich ganz leicht zu weinen, es wäre ihr sogar unmöglich gewesen, es nicht zu tun. Sie sperrte sich in ihrem schönen Badezimmer ein. Als die Tränen aufgebraucht waren und Caro sich erfrischt hatte, setzte sie sich auf den geschlossenen Toilettendeckel, griff zu ihrem Handy und suchte im Menü den Namen ihrer ehemals besten Freundin. Als sie
Anrufen
drückte, schlug ihr Herz schneller, denn sie hatte sich über ein Jahr nicht mehr bei ihr gemeldet.

12
    »W AS IST MIR IHR ?«, FRAGTE C HRISTIAN und deutete auf eine große Blonde mit Soletti-Beinen in Wildlederstiefeln, die sich gerade ein kleines Weißbier bestellt hatte und sich nun bei ihrem dunkelgelockten Begleiter mit Pilotenbrille und hautengen weißen Jeans einhängte. Von der anderen Seite näherte sich ein identisch gestylter Typ, und die Blonde hängte sich auch bei ihm ein.
    »Was denkst du«, gab Michi zurück, »klar g’hören ihr beide!« Michi betrachtete Christian mit liebevollem Spott, er kapierte es einfach nicht.
    »Aber ist ihr das denn nicht peinlich? Jeder muss wissen, dass sie für sie bezahlt hat!«
    Michi leerte sein Proseccoglas und gab der Marktfrau ein Zeichen, ein weiteres zu bringen. »Natürlich weiß es a jeder! Und a jeder denkt sich: Die Frau hat Schneid, die holt sich gleich zwei solche Kerle und treibt mit ihnen, was ihr gefällt!«
    Christian trank sein Bier aus und bestellte sich ein weiteres. Er fühlte sich betrunken und er war es auch. Seit einer Stunde standen Michi und er an einem Stand des Münchner Viktualienmarkts in der Herbstsonne und beobachteten die Leute, die hier einkauften oder gekommen waren, um ein paar Helle zu trinken und einen Schwatz zu führen. Es war Samstagvormittag und der Markt brummte. Corinna und Sandra waren shoppen gegangen und würden später zu ihnen stoßen.
    »
Die Schönheit vergeht, der Besitz bleibt
, heißt’s in Bayern«, sagte Michi. »Bei die zwei Burschen dort kann sie sich noch einhängen, wenn in München die letzte Maß zapft worden is.«
    Christian begriff es tatsächlich nicht: »Aber die Frau ist doch fesch, die muss doch nicht zahlen, um einen Mann zu bekommen? Oder auch zwei, wenn sie will …«
    Michi lachte. Sein rundes Gesicht glühte, seine Glatze hatte von den Altweibersommer-Spaziergängen der letzten Tage ebenfalls einen Stich ins Rote abbekommen. Seine Augen sprangen lebhaft hinter der hellblau getönten Sonnenbrille hin und her, genauso wie seine vom Prosecco befeuerten Gedanken. »Es will sich halt nicht jeder mit den Nebenwirkungen der Liebe auseinandersetzen! Schau amal, siehst du den Knaben dort?« Michi deutete auf eine bronzene Brunnenfigur, die nur ein paar Schritte von ihnen entfernt war. »Das ist der Weiß Ferdl, ein Münchner Volksschauspieler. Während dem Krieg hat er im Radio vorgeschlagen, die kriegführenden Parteien könnten doch ihre eigenen Städte bombardieren – das spare Kraftstoff. Großartig, oder? Als ich einmal eine recht hitzige und ganz und gar irrationale Auseinandersetzung mit einer Partnerin von mir hatte, da hab ich mich auf den Weiß Ferdl bezogen und zu meiner Freundin gsagt: Warum immer die gegenseitigen Angriffe, können wir uns nicht einfach auf
Selbstvorwürfe
verlegen, an denen ist dann wenigstens mal was dran. Aber da wollt’ sie nicht mitspielen, die ganze Lebensfreude hätt’ ich ihr genommen damit! Aber verstehst du? Wir haben doch alle ein sehr begrenztes Kontingent an Geduld, was die Wünsche und Vorstellungen und Illusionen der Menschen angeht, mit denen wir zufällig schlafen.«
    »Du klingst so, als würdest du das da gutheißen«, sagte Christian und deutete auf die Blonde mit ihren Begleitern.
    »Red keinen Schmarrn. Ich will nur nicht vergessen, warum es überhaupt jemand gutheißen kann. Der dort«, und Michi deutete in Richtung der Bronze von Karl Valentin, die

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