Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kauft Leute

Kauft Leute

Titel: Kauft Leute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Korssdorff
Vom Netzwerk:
einem direkt in die Augen sah, dass er die eigene Existenz wahrnahm, sonst könnte man sich gleich einen Naturfilm im Fernsehen anschauen. Caro war allerdings nicht durch eine Glasscheibe von den Männern getrennt, sie konnten sie riechen, sie konnten hören, wie sich der Stoff ihrer Kleidung an ihrer Haut rieb, und sie hätten sie auch anfassen können, welche Konsequenzen das auch immer gehabt hätte. Jetzt wünschte sich Caro, ihre Weiblichkeit wie eine Lampe ausschalten zu können, aber Männer reagierten immer gleich auf eine Frau. Sie sahen nicht, ob sie sich wohl in ihrem Körper fühlte, ob ihr kalt war, ob sie Bauchschmerzen hatte, ob sie 18 Monate mit keinem Mann geschlafen hatte oder erst vor 30 Minuten, ob sie eine kranke Mutter zuhause hatte, ob sie Panik hatte, vielleicht schwanger zu sein oder gerade die Regel bekommen hatte, ob sie an diesem Tag schon zehnmal angemacht worden war oder noch gar nicht in diesem Jahr, ob sie eine Lesbe war oder es rausfinden wollte, ob sie sich fett fühlte oder wunderschön, ob sie Lust auf Männer oder gerade erst endgültig mit dem Thema abgeschlossen hatte, ob sie verkatert war, hungrig, einsam, stinksauer, bekifft, verliebt oder verzweifelt. Sie sahen nur einen netten Hintern und kriegten Lust.
    Notiz an dich selber
, dachte Caro,
es gibt Gründe dafür, dass sie Besucherzimmer bauen
.
    Sie ging einen Flur hinunter, an den beidseitig die Zimmer der Bewohner anschlossen. Gleich im zweiten Raum auf der linken Seite entdeckte sie den Kommodore, der auf seinem Bett lag und mit einem Zauberwürfel spielte. Er schien nicht mehr weit von der Lösung entfernt zu sein, Caro sah große gleichfärbige Flächen und nur noch wenige falsche Farbquadrate. Sie klopfte an die offene Tür.
    Der Kommodore schien nicht sonderlich überrascht über den Besuch und deutete ihr einzutreten. Caro setzte sich auf einen Stuhl neben seinem Bett und legte ihre Laptoptasche auf dem Schoß ab. Der Kommodore trug immer noch das weiß-gelbliche Unterhemd vom Nachmittag. Seine rötlichgrauen Haare fielen etwas trostlos in seine Stirn und in den Nacken. Er trug eine Lesebrille der billigeren Sorte. Seine Beine steckten in zu kurzen Hosen aus der Secondhand-Wühlkiste, die Füße in Tennissocken und Plastikpantoffeln. Außen an seinem Kleiderkasten hing – gereinigt in der Plastikhülle – das Outfit, das er im Wiener Café getragen hatte.
    »Oh, ein
Rubik’s

    »Der Weltrekord liegt bei sechs Sekunden. Blind bei 30. Theoretisch kann man jeden Würfel mit 20 Zügen lösen. Ich bewege mich dorthin.«
    »Wow. Ich hab das nie geschafft.«
    »Es gibt Methoden. Wenn man die kennt, ist es eigentlich ein Witz.«
    Caro fand allerdings, dass der Kommodore relativ unmethodisch an dem Würfel herumschraubte.
    »Warum nennt man Sie den
Kommodore
, Kommodore? Waren Sie in der Marine?«, entschied sich Caro für einen direkten Einstieg ins Gespräch.
    Der Kommodore ließ von seinem Würfel ab und musterte seine Besucherin über seine Brille hinweg. »Ein wenig unverfroren, mich das zu fragen, bevor Sie sich selbst vorgestellt haben. Nicht, dass es notwendig wäre, ich weiß schon so einiges über Sie, aber dennoch.«
    »Gut. Ich bin, nun, Sie wissen, wer ich bin. Hätten wir das also auch.«
    Der Kommodore betrachtete sie von Kopf bis Fuß. »Wie haben die Männer draußen auf Ihr Erscheinen reagiert?«
    »Komplimente hab ich keine bekommen, aber ganz durchgefallen bin ich auch nicht.«
    »Sie lachen, aber hier reinzuspazieren macht den Männern ihre Situation nicht einfacher.«
    Caros Blick verfinsterte sich. »Ich lache gar nicht.«
    Der Kommodore setzte sich auf. »Nein, aber Sie finden es amüsant. Ein bisschen aufregend.«
    Caro protestierte: »Ich hätte Sie auch in den Besucherraum laden können, aber ich wollte Sie in Ihrem eigenen Zimmer treffen!«
    »Oh, das bedeutet mir viel, diese Zelle ist eine dermaßen adäquate Manifestierung meiner Persönlichkeit. Sehen Sie sich um … und Sie kennen mich!«
    Caro brauchte sich nicht umzusehen, der Rubikwürfel war das einzige Stück im Raum, das einen zweiten Blick wert war. »Schauen Sie, Kommodore, ich bin nur hier, weil Leute in meinem Team finden, Ihr Profil gehöre etwas modifiziert, man nimmt Ihnen den – ich zitiere – Hausfreund und Märchenonkel nicht ab.«
    Der Kommodore schien seine Freude mit Caros letzter Bemerkung zu haben. »
Die Leute in Ihrem Team
… Caro, bitte bemühen Sie sich nicht, mir vorzumachen, Sie hätten sich mit diesen Leuten

Weitere Kostenlose Bücher