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Kauft Leute

Kauft Leute

Titel: Kauft Leute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Korssdorff
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Vertrag auflösen zu lassen, sind auch uns die Hände gebunden!«
    Caro verstand die Situation nicht ganz: »Aber ist es nicht offensichtlich, dass dieser Mann Druck auf die Frau ausübt, sie zu beherrschen und einzuschüchtern versucht, sie sexuell nötigt und emotional erpresst?«
    Die Stimme am anderen Ende des Telefons ließ die Geschäftsmäßigkeit fallen. »Caro, du bist neu dabei, oder?«
    »Allerdings.«
    »Schau, du hast in allem völlig recht. Und ich glaube, wir lesen auch beide aus dem Beginn ihrer
Romanze
dasselbe heraus, oder? Dieser Mann ist ein
emotionaler Terrorist
. Caro, du bist jetzt auf der anderen Seite der Plakatwand. Hier stinkt’s, es ist finster und die Ratten scheißen alles zu. Gib mir mal deine Handynummer, ich will das nicht über die Firmenleitung loswerden.«
    Eine Minute später läutete Caros Handy. Sie hatte sich für das Telefonat in ihr Bürobad gesperrt.
    »So, da bin ich wieder. Nur um sicherzugehen. Weißt du, Caro, Fehler in einem System zu entdecken, von dem viele Leute profitieren, macht dich nicht zum Helden. Es macht dich nicht einmal zu einem Märtyrer. Es macht dich nur zu einem Problem. Und ich muss ehrlich sagen: zu einem lösbaren. Wenn du also hohe moralische Standards hast, such dir eine Branche mit geringerer Fallhöhe, vielleicht etwas wie musikalische Früherziehung. Denn wenn du wirklich vorhast, hier Sand ins Getriebe zu streuen, dann musst du sauberer als sauber sein. Nichts stärkt eine Unternehmung mehr, als ein Kritiker, der sich als unglaubwürdig herausstellt. Wenn du ihnen sagst, sie stinken, aber selbst Dreck in der Hose hast, dann kriegst du keinen Ärger, sondern eine Einladung zum Firmenpicknick – so dankbar werden sie dir sein!«
    »Ich hab eigentlich nicht vor, Sand ins Getriebe streuen, ich wollte nur versuchen, dieser Frau zu helfen. Im Grunde möchte ich diesen Job nicht verlieren. Ich brauche ihn.«
    »Eben, Caro, bei mir ist es dasselbe. Und weißt du, wie ich’s geschafft habe, es so hinzubiegen, dass es sich für mich ausgeht?«
    »Cyber-Rape? Drive-by-Shootings? Penner verprügeln?«
    »Gut, aber nein. Ich habe einfach nur erkannt, wer das wahre Problem ist. Es ist nicht HÜMANIA. Und es ist auch nicht
Feminia
oder
Girls in Boxes
oder wie die anderen Firmen heißen, die jetzt nachkommen. Das wahre Problem sind wir. Du, ich, der Emo-Terrorist, dein Boss, dein Nachbar, Kai Pflaume. Wir alle sind das Problem.«
    »Und wie können wir uns beseitigen?«
    »Exzellente Frage! Gar nicht! Wir können nur versuchen, ehrlicher zu uns zu sein. Das Erfolgsrezept von HÜMANIA ist ja nicht, dass sie etwas anbieten, was alle wollen.«
    »Ach, nicht?«
    »Das Geheimnis hinter dem Erfolg ist, dass so viele nicht bekommen haben, was sie
eigentlich wollten
! Kaufen ist heute doch fast immer eine Ersatzhandlung!«
    »Also müssen wir nur dafür sorgen, dass alle ihren Jugendschwarm und täglich frischen Apfelkuchen kriegen, und die Probleme der Welt sind gelöst.«
    »Nein, so viel Apfelkuchen gibt es nicht. Was wir tun müssen, ist, zu unseren
wahren
Wünschen zurückzufinden.«
    Caro starrte auf den beheizbaren Handtuchhalter direkt vor sich. So ein Ding zu haben, war das etwa kein Wunsch, der er wert war, gewünscht zu werden? Oder der coole kleine Bürokühlschrank draußen – schlug ihr Herz nicht auch für den?
    »Was wolltest du mal werden, als du ein kleines Mädchen warst, Caro?«
    Ohne zu zögern antwortete sie: »Polizeihostess!«
    »Das dachte ich mir. Du wärst eine gnadenlos gute weibliche Ordnungskraft im Dienst einer Gemeinde oder Landespolizei geworden.«
    »Gell«, flüsterte Caro.
    »Warum ist nichts daraus geworden?«
    »Der Vater meiner Mutter war Polizist und ist im Einsatz eine Haustreppe heruntergestürzt, so dass er teilinvalid wurde. Seitdem hatte meine Mutter keine sehr positive Einstellung mehr zu diesem Beruf. Aber in Wirklichkeit wurde nichts daraus, weil ich schon mit zwölf nicht mehr in den Polizeidienst eintreten, sondern Moderatorin einer Fernsehshow werden wollte, die ich mir selbst ausgedacht hatte und die sehr
sophisticated
war. Danach ging es in Richtung Jugendbuchautorin und dann immer weiter in die Introvertiertheit, bis zu dem Punkt – da war ich vielleicht 15 –, wo es mir als das Größte vorkam, von den entlegensten Orten der Erde aus Briefe an die Menschheit zu schicken, also zum Beispiel vom Meeresgrund oder aus Klagenfurt. Briefe, die die Menschen inspirieren und auf den richtigen Weg zurückführen. Zum

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