Kauft Leute
vielleicht gar nicht mehr käme, weil er ja am Wochenende bei der Präsentation in München sei und vorher einiges in der Klinik zu tun wäre.
Am Abend war Caro mit ihrer Freundin Charlotte verabredet, die sie in der Woche davor nach über einem Jahr das erste Mal wieder angerufen hatte. Nach stundenlangem Geplauder, das Caro so guttat wie ein Sonnentag nach tausend langen Wintern, fragte Caro Charlotte, ob sie und ihr Freund immer noch überlegten, ein Kind zu adoptieren. Ihre Freundin führte aus, dass sich prinzipiell nichts an dem Wunsch geändert habe, ihre Ärzte auch immer noch
Daumen runter
machten, aber beruflich gerade alles ein bisschen crazy sei. Caro wartete nicht ab, bis sie zu Ende gesprochen hatte, sondern schob ihr Hannas Akte hinüber. Sie erzählte ihr vom Vorabend und wie schlimm es gewesen war, die Kleine dortlassen zu müssen, und ließ sie dann mit den Unterlagen allein.
Als Caro auf der Toilette war, läutete ihr Handy. Das Display zeigte eine unbekannte Nummer. Der Mann am anderen Ende der Leitung sagte, er habe ihre Anzeige in der Oldtimer-Zeitung gelesen. Caro hatte beinahe darauf vergessen: Kurz nach dem Gespräch mit dem Kommodore hatte sie ein Inserat in der größten europäischen Oldtimer-Zeitung geschaltet. Darin suchte sie nach einem roten Commodore, den sie angeblich für einen gut bezahlten Einsatz in einem Kinofilm benötigte. Der Mann sagte, er besitze seit Kurzem einen Opel Commodore Baujahr 67, auf den die Beschreibung haargenau zutreffe. Wenn Caro wolle, könne sie sich den Wagen am Wochenende in München anschauen.
Nach dem Telefonat setzte sich Caro auf die geschlossene Kloschüssel und überlegte, ob Danesita inzwischen vielleicht sechs oder sieben seiner Frauen gefragt hatte, ob sie ihn nach München begleiteten, oder ob er sie doch noch mitnehmen würde.
Dann fiel ihr ein, dass sie dem Münchner ja das Bild aus ihren Twiggy-Tagen geschickt hatte, und bereute es fürchterlich.
18
S IE WAREN ETWA FÜNFZIG UND MAN HATTE SIE in einem großen Zelt untergebracht, das an einen der Seitenflügel des Schlosses angebaut war. Sie waren nur Männer. Auf dem Parkplatz des HÜMANIA-Markts in München hatten sie den anderen Bus gesehen, in den die Frauen eingestiegen waren – wo diese sich jetzt aufhielten, wussten sie jedoch nicht. Die Fahrt mit dem Bus hatte nicht lange gedauert, 25 Minuten vielleicht. Einige der Männer im Wagen waren seit Wochen oder sogar Monaten nicht mehr aus dem Markt herausgekommen, und sie saugten gierig die Bilder der Stadt an diesem schönen spätsommerlichen Samstag ein. Man hatte ihnen erzählt, dass es ein besonderer Event war, der heute stattfand. Jene unter ihnen, die schon in
besseren Kreisen
verkehrt hatten, waren bereits vor einiger Zeit zu einer Vorbesprechung eingeladen worden, bei der sie auf die Bedeutung dieses Tages eingeschworen wurden und man sie auch ermuntert hatte, auf die anderen Helden, die den Umgang mit der Hautevolee nicht gewohnt waren, positiv einzuwirken. Für diesen einmaligen Abend erwartete man etwas von den Helden, das sonst nicht von ihnen verlangt wurde – sie sollten
gemeinsam
etwas darstellen. Alles bei HÜMANIA war auf Einzelkämpfer zurechtgeschnitten, nur wer sich gegen die anderen durchsetzen konnte, wer sich abhob, gewann die Gunst der Besucher. Hier aber sollten sie als Gruppe glänzen und Eindruck hinterlassen. Die Summe ihres guten Aussehens, ihres Charmes und ihrer Klasse entschied heute darüber, ob der Event ein Erfolg werden würde. Natürlich galt es im späteren Teil des Abends auch, mit den persönlichen Vorzügen den einzelnen Kunden anzusprechen, zuerst aber mussten sie gemeinsam einen Gedanken in die Köpfe der Gäste pflanzen.
Der Marketingmann von HÜMANIA München hatte diesen Gedanken, wie er im Kopf des Besuchers Gestalt annehmen sollte, für die
Edel-Helden
bei der Vorbesprechung in Worte gefasst: »Diese Firma kennt meine Bedürfnisse und Wünsche. Sie weiß, welchen Stellenwert
Stil
für mich besitzt und dass ich Stil auch bei Leuten voraussetze, mit denen ich mich umgebe. Diese Location, die Atmosphäre und diese neue Generation von Helden übertreffen meine höchsten Erwartungen!«
Einige der Zuhörer hatten geschluckt und sich unsicher im Raum umgesehen, ob noch andere von ihnen fürchteten, diese hohen Erwartungen nicht erfüllen zu können, aber nachdem der Marketer durch die Reihen gegangen war und ziemlich wahllos Komplimente verteilt hatte (»Schöne Brille; schlanke Beine; ich
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