Kauft Leute
wieder sperrten sie sich im Schlafzimmer ein, und Caro begriff nicht, weshalb sie sich überhaupt anschrien. Caros Schwester war auch da. Sie war fünf Jahre älter und verstand schon ein bisschen mehr. Manchmal verschwand sie, um an der Tür von Mamas Schlafzimmer zu lauschen. Wenn sie zurückkam, lächelte sie auf eine ganz bestimmte Weise, eine Weise, die Caro nicht mochte. So hatte sie gelächelt, als sie Caro gesagt hatte, dass es das Christkind gar nicht wirklich gebe, und so hatte sie auch gelächelt, als sie ihrer Schwester erklärte, dass ihr Meerschweinchen nicht über die Ferien die Farbe gewechselt habe, sondern gestorben und ausgetauscht worden sei.
Caros Schwester hatte es nicht eilig, mit den neuen Informationen herauszurücken. Erst als sie am Abend ins Bett gingen, ihren Gutenachtkuss von Mama bekamen, und das Licht gelöscht wurde, erst dann erzählte Caros Schwester, was sie gehört hatte. Dass nämlich der Papa gar nicht Caros Papa sei! Sondern nur der ihrer Geschwister! Caro habe einen
anderen
Papa! Und ihr Papa, also der von Caros Schwestern, der wolle auch nicht mehr so tun, als wäre er der Papa von Caro. Er habe vier echte Kinder – die neuen mit der anderen Frau miteingerechnet –, das müsse doch genügen.
Caro lag im Dunkeln und wusste nicht, was sie denken oder sagen sollte. Konnte das stimmen? Oder log ihre Schwester sie an, um ihr wehzutun? Die Tränen rollten ihr über die Wangen und sie nahm ihre ganze Kraft zusammen, um nicht zu schluchzen. Sie wollte aufstehen und zu ihrer Mama laufen und sie fragen, ob es stimme, was ihre Schwester erzählt hatte, aber sie blieb liegen. Die ganze Nacht lang.
Heute fragte sie sich bei jedem zweiten Mann in einem gewissen Alter, ob das vielleicht ihr Vater war. Und ob er geschockt wäre, wenn sie ihm sagte, wer sie war. Oder ob er sie in den Arm nehmen würde. Und sie sich kennenlernten. Mexikanisch essen gingen. Über seine Freundin redeten. Und über Caros Ziele. Zusammen einen Sprachkurs besuchten. Manchmal in der Nacht telefonierten. Zu einem Spiel seines Lieblingsclubs gingen. Ob sie ihm einen Mann vorstellen konnte, der ihr gefiel, in der Hoffnung, er würde ihn auch mögen.
Sie war fast dreißig und in Wahrheit lag sie immer noch in ihrem Kinderbett und überlegte, wer er war.
Als Caro aus dem Taxi stieg, spielte sie mit dem Gedanken, Max anzurufen und ihn zu fragen, ob sie nicht zusammen in die Spielhalle im Prater fahren sollten, um ein bisschen die Sau rauszulassen. Konsolenzocken im
Daytona Beach
und ein paar Tequila. Der Haken an der Idee: Sie würde es am nächsten Tag nicht in die Arbeit schaffen, sie hätte wieder mit Max geschlafen, und als Nächstes würde sie sich einen neuen PC kaufen und noch mal aus allem ausklinken. Die Vorstellung selbst hatte zweifellos ihren Reiz, aber sie fürchtete sich davor, wie die Welt das nächste Mal aussehen würde, wenn sie wieder auftauchte …
Als Caro am nächsten Tag in die Arbeit fuhr, war sie glücklich, auf jene leise Stimme in ihrem Inneren gehört zu haben, die ihr geraten hatte, einfach nachhause zu gehen – sie hatte einiges vor an diesem Tag.
Zuerst rief sie Bettina, die Projektleiterin von Moffats Team, an und fragte, wann er zu sprechen sei. Diese wusste nicht, ob er überhaupt erscheinen werde und gab Caro seine Handynummer. Als sie ihn anrief, meldete sich nur seine Mobilbox. Caro hinterließ ihm die Nachricht, dass sie mit ihm über Mona sprechen müsse.
Zu Mittag spazierte sie im Zimmer der Guides vorbei und sammelte Lars für ein Mittagessen ein. Sie entschuldigte sich bei ihm, weil sie am Vorabend so abrupt verschwunden war, und lud ihn auf ein
Malai Kofta
beim Inder ein. Er erzählte ihr, dass sie etwas verpasst habe: Danesitas Nummer 9 schien schwanger zu sein. Caro lächelte, aber ihre Stirn zog Falten dabei, zu absonderlich kam ihr diese Familie vor.
Am Nachmittag meldetet sich der Münchner bei ihr und berichtete, dass es eine Intervention geben werde. Caro war erleichtert und bedankte sich. Später mailte sie ihm auf sein Drängen hin ein Foto von sich, das auf einer Werbegala geschossen worden war. Damals hatte sie sich ausschließlich von Kaffee, Zigaretten und der Pille ernährt und konnte ihr Gewicht mit einer Küchenwaage messen.
Später forderte Caro die Unterlagen der kleinen Hanna an und telefonierte lange mit einer netten Frau im Beratungszentrum.
Bis zum Abend hatte sich Moffat nicht bei ihr gemeldet, und Bettina sagte Caro, dass er diese Woche
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