Kauft Leute
geben konnte. Sie widerstand der Versuchung, eines der vielen Videogames zu spielen, und beschäftigte sich lange mit den Einstellmöglichkeiten ihres Sitzes, der sich auf eine Weise an ihren Körper anpasste, die sie erröten ließ. Danesita studierte Zeitungen, trank Tomatensaft und las Caro Witze aus Businessmagazinen vor, die sie nicht verstand. So gesehen war es erträglich.
Als sie in München aus dem Flugzeug stiegen, war es 18 Uhr. Um 20 Uhr sollte die Veranstaltung im Schloss Schleißheim beginnen, eine Stunde vorher war Caro ebendort mit dem Besitzer des Opel Commodore verabredet. Als Caro dem Mann gegenüber ganz nebenbei am Telefon erwähnt hatte, dass sie das HÜMANIA-Event im Schloss besuchte, war dieser völlig aus dem Häuschen geraten und hatte sie geradezu angebettelt, ihr eine Einladung zu besorgen. Caro hatte also in der Presseabteilung eine weitere Einladung angefordert und mit dem Besitzer des Wagens ein Treffen am Parkplatz des Schlosses vereinbart. Einfacher hätte man das gar nicht regeln können, fand Caro.
Weil Danesita eine Abneigung gegen Taxis hatte, nahmen sie sich am Flughafen einen Leihwagen, der das Zehnfache einer Taxifahrt kostete, und fuhren damit zum Schloss. Caro musste das Navigationsgerät bedienen, das ihr immer wieder dazu riet,
Schloss Nymphenburg
zu besuchen, und nur weil sie irgendwann an einem altmodischen Richtungspfeil mit der Aufschrift
Oberschleißheim
vorbeikamen, gelang es ihnen, ihr Ziel zu finden. Als sie das Schloss zum ersten Mal mit eigenen Augen sah, blieb Caro für einen Moment die Luft weg. Sie hatte das Schloss Versailles nie besucht, doch dieses Gebäude kam ihm an Prunk und Umfang bestimmt sehr nahe. Es hatte eine Breite von dreihundert Metern, wie Caro schätzte. Sie maß Längen dieser Größenordnungen, indem sie sich vorstellte, wie oft man das große Becken des Schönbrunner Bads in Wien mit seinen fünfzig Meter Länge aneinanderreihen musste – so kam sie meistens auf gute Ergebnisse. Der Hauptteil des Schlosses war drei-, die seitlichen Trakte zweigeschoßig, links und rechts verband ein Arkadengang das Gebäude mit zwei Pavillons. An beide Seiten des Bauwerks grenzten barocke Gartenanlagen mit Brunnen, Kanälen und Wasserspielen an.
Die Fenster und Türen des Schlosses standen bereits offen. Kellner und Arbeiter eilten zwischen den verschiedenen Teilen des Gebäudes hin und her und warfen in der tief stehenden Sonne ewig lange Schatten. Vor dem Vestibül des Schlosses waren bereits an die hundert Stehtische aufgestellt worden, denn dort sollte in etwas über einer Stunde der Empfang der Gäste stattfinden. Es war ungewöhnlich heiß für Mitte September, der Himmel war wolkenlos. »Perfekte Bedingungen«, sagte Danesita und begann, mit zwei Fäusten einen Marsch zu dirigieren und mit übermütig tanzenden Augenbrauen und geblähten Wangen, jedoch geräuschlos, kantig schmetternde Blasinstrumente nachzuahmen. Dann zog er sein Jackett aus, hängte es sich über die Schulter und rief Caro zu: »Ich gebe Ihnen einen Schlossführung, gut?« Caro zeigte nur auf ihr Handy und erwiderte, sie werde ihm gleich folgen.
Danesita spazierte in Richtung Schloss, und Caro ging den Weg zum Parkplatz zurück, wo erst wenige Fahrzeuge standen. Sie lehnte sich an den Wagen, mit dem sie gekommen waren, und rauchte mit dem Gesicht zur Sonne eine Zigarette. So beeindruckend schön die Schlossanlage war, Caro hatte keine großen Erwartungen an den Abend. Sie hatte so viele solcher Events besucht: Produktpräsentationen, Galadiners, Preisverleihungen, Release-Partys, Charity-Bälle, Firmenjubiläen, Benefiz-Modeschauen, Nächte der Werbung, Store-Openings, Börsengang-Feten, Cocktail-Empfänge, Filmpremieren, Fashion-Weeks, Programmpräsentationen, Networking Nights …
Das Eventrad drehte sich immer weiter, und auch wenn Caro früher gerne zu Partys gegangen war, sehnte sie inzwischen eine Zeit herbei, in der auch der letzte Schokobrunnen für immer versiegt war.
Die Sonne blitzte nur noch zwischen ein paar Baumwipfeln durch, als kurz vor 19 Uhr 30 ein dunkelrotes Sportcoupé auf den Parkplatz fuhr. Der Wagen, den Caro sofort als das Fahrzeug vom Foto des Kommodore wiedererkannte, sah aus wie ein amerikanisches Fabrikat – nicht so bullig wie die Autos, die Caro mit Steve-McQueen-Filmen verband, aber von einer entspannt fließenden und offensiv erotischen Formensprache, die heute kaum mehr existierte. Das Dach des Wagens war schwarz, so auch die
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