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Kauft Leute

Kauft Leute

Titel: Kauft Leute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Korssdorff
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sie nicht hören konnte. Es war vielleicht vier oder fünf Jahre alt und trug einen ausgewaschenen Pyjama mit Aufdrucken der Helden einer Cartoonserie, die ganz und gar aus der Mode gekommen war und auf keinem Sender mehr gespielt wurde. Die Haare der Kleinen waren blond und kurz geschnitten, und ihre Augen erschienen riesig groß in ihrem kleinen Gesicht. Sie war barfuß und ihre Füße schienen auf dem Platz an der Tür wie festgeklebt.
    Caro spürte die Kälte des Bodens durch ihre Socken hindurch und fand die Vorstellung unerträglich, dass die Kleine so ungeschützt dort stand. Sie wusste, es war nicht richtig und es konnte ihr tausend Scherereien einbringen, aber sie wollte das Mädchen nicht einfach so stehen lassen. Also drückte Caro auch an diesem Zahlenschloss den Code, der Dennis aus der Tasche gefallen war, und die Tür öffnete sich. Sie nahm das Mädchen in den Arm und setzte sich mit ihm auf die Bank an der anderen Seite des Gangs.
    »Wie heißt du denn?«, fragte Caro.
    Das Mädchen schaut Caro kurz aus von Müdigkeit verschleierten Augen an, dann sagte sie leise: »Vier Jahre.«
    »Aha«, sagte Caro, »und wie alt bist du?«
    »Hanna«, antwortete das Kind.
    »Du bist sehr müde, gell?«, flüsterte Caro und rubbelte dem Mädchen die eiskalten Füße warm.
    Die Kleine nickte und legte den Kopf auf Caros Schulter.
    »Warum bist du denn aufgestanden?«, wollte Caro wissen.
    Die Kleine antwortete nicht.
    »Musst du Pipi?«, versuchte es Caro.
    Immer noch keine Antwort.
    Jetzt begann Caro allerdings, durch den Ärmel ihrer Bluse die Feuchtigkeit zu spüren. Die Pyjamahose von Hanna war nass.
    »Nicht mehr schön in deinem Bett, oder?«, sagte Caro, und das Mädchen schüttelte den Kopf.
    Als Caro mit dem Mädchen ein Badezimmer suchen wollte, öffnete sich die Tür zu den Kinderschlafräumen und eine junge Frau im Bademantel steckte den Kopf heraus. Als sie Caro mit Hanna sah, rief sie: »Wer sind Sie?!« und sofort darauf: »Lassen Sie das Kind los!«
    Caro sagte mit gemäßigter Stimme: »Hanna ist ein Missgeschick passiert und sie wollte sich waschen gehen.«
    Die Frau sah nun auch den feuchten Pyjama des Kindes und forderte: »Geben Sie mir die Kleine!«
    Caro hätte das Mädchen gerne noch eine Weile bei sich behalten, aber damit wären ihre Absichten noch unklarer erschienen.
    Die junge Frau nahm das Kind und presste es an sich. »Wer sind Sie und wie sind Sie hier hereingekommen?«
    »Ich arbeite hier, in Ordnung?«, sagte Caro. Warum diese Aufregung, sie wollte das Kind ja nicht entführen.
    »Deswegen dürfen Sie aber nicht diese Türe öffnen!«
    Caro presste hervor: »Die Kleine stand nass und allein vor der Tür, da konnte ich sie ja schlecht stehen lassen! Und überhaupt: Warum seht ihr nicht nach den Kindern? Die können sich ins Hemd machen und müssen bis in der Früh im Nassen liegen!«
    Die junge Frau, die Hanna immer noch im Arm hielt, sagte mit bebenden Lippen: »Wie ist Ihr Name?«
    »Carolin Novara, und wie ist deiner?«, gab Caro ruhig zurück und nahm ihr Notizbuch aus der Tasche, um den Namen des Mädchens aufzuschreiben. Sie zögerte, bevor sie antwortete: »Ich bin die Kerstin.«
    Den Namen hatte Caro schon einmal gehört. Ein paar Augenblicke lang musste sie nachdenken, bei welcher Gelegenheit, dann fiel es ihr wieder ein. »Du bist doch die, die mit dem Rumänen schläft.«
    Kerstin konterte mit Grabesstimme: »Wer behauptet das?«
    Dennis hatte Caro davon erzählt, aber das behielt sie für sich. »Ist doch egal. Du triffst dich heimlich mit einem der Helden. Das ist super-verboten, oder?«
    »Das geht niemanden etwas an! Ich muss dem Kind jetzt was anderes anziehen.« Sie verlagerte das Gewicht der Kleinen so, dass sie sie auf einem Arm tragen konnte, und mit der anderen Hand öffnete sie von außen die Tür.
    Kurz bevor sie sich wieder schloss, rief ihr Caro nach: »Sie heißt
Hanna

    Als Caro mit dem Taxi nachhause fuhr, erinnerte sie sich an eine Nacht als Mädchen, wo sie ähnlich alleine gewesen war wie Hanna. Sie musste etwas älter gewesen sein, vielleicht fünf Jahre. Caro glaubte, es war ein Sonntag. Der Mann, den sie Papa nannte, war am Nachmittag dagewesen, in der Wohnung in Favoriten, in der Caros Mama allein mit Caro und ihren zwei Geschwistern lebte. Er kam nur selten vorbei, er hatte jetzt eine andere Familie. Auch wenn er nicht lange da war, hatten ihre Eltern die Zeit doch zu nutzen gewusst: Von der ersten Minute an stritten sie sich lautstark. Immer

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