Kautschuk
beurlaubt – zur Fahrt dorthin.« Fortuyn runzelte die Stirn und überlegte. Tilly sah es und erschrak. »War wohl etwas eigenmächtig von mir? Aber er tat mir leid.«
»Schon gut, Fräulein Tilly! Das war’s nicht, woran ich dachte.« Als Fortuyn später beim Mittagessen saß, entfaltete er seine Berliner Zeitung, las hier und da einen Artikel und stieß dabei auf die Notiz: »Der Präsident der United Chemical, Mr. Steve Hopkins, aus London weilt zur Zeit in Berlin.« Betroffen kombinierte er hin und her, ohne eine befriedigende Lösung zu finden.
Als Wittebold in Berlin ankam, führte ihn sein erster Gang zu einem Postamt. Hier rief er dieselbe Nummer wie kürzlich der Büfettier in Fortuyns Arbeitszimmer an. Die Stimme, die sich meldete, schien ihm unbekannt, denn er fragte, wer dort sei. Auf die Antwort: »Restaurant Brose«, schüttelte er den Kopf, sagte: »Entschuldigen Sie – ich hab’ eine falsche Nummer angerufen!«
Trotzdem mußt ihn das Restaurant Brose aber doch wohl interessieren. Er nahm das Fernsprechverzeichnis zur Hand, notierte sich die Adresse und verließ das Postamt.
In langsamem Schlenderschritt machte er sich auf den Weg. Kurz vor ein Uhr trat er in das Lokal, setzte sich bescheiden in eine Ecke und ließ sich ein Glas Bier geben. Der Raum war noch nicht besonders besucht. Er konnte ohne Mühe die Gesichter der einzelnen Gäste studieren. Doch keins schien dem, das er suchte, zu entsprechen.
Neue Gäste kamen. Andere gingen wieder. Je weiter die Zeit vorschritt, um so unruhiger wurde Wittebold. Mehrmals war er in Versuchung, an den Kellner, der ihn bediente, eine Frage zu richten. Da rief der Wirt vom Büfett aus dem Kellner zu: »Herr Boffin wird am Apparat verlangt!«
Der Kellner eilte zu einem Gast an der anderen Seite des Lokals. Der stand auf und begab sich in die Fernsprechzelle. Mit Interesse betrachtete Wittebold diesen Herrn Boffin. »So hatte ich mir den allerdings nicht vorgestellt«, murmelte er vor sich hin.
Nach einer Weile kam der Engländer vom Telefon zurück, trank sein Bier aus und ging. Unmittelbar darauf verließ auch Wittebold das Restaurant und folgte dem andern, bis der in einem Haus am Kurfürstendamm verschwand. »Morris Boffin, Universal Provider«, las Wittebold auf dem Messingschild. Dann kehrte er um. Vor dem Schaufenster einer Buchhandlung blieb er stehen, schaute die Auslagen an, dachte dabei aber sehr lange über etwas ganz anderes nach. So sah er nicht, wie eine junge Dame hinter ihm vorbeischritt, deren Schönheit und Eleganz selbst in dem mondänen Treiben des Kurfürstendamms manchen Blick auf sich zog. Sie schien ebenfalls Interesse für das Haus mit dem Schildchen ›Morris Boffin‹ zu hegen. Jedenfalls studierte sie es längere Zeit sehr genau. Dann, wie überdrüssig des Wartens, schlug sie die Richtung nach der Halenseer Brücke ein.
Endlich drehte sich Wittebold um, wollte nach der Gedächtniskirche weitergehen, doch machte er schnell wieder kehrt: über die Straße kam der Büfettier Franz Meyer geradewegs auf das Haus Boffins zu und verschwand darin.
Scheint doch was besonders Wichtiges zu sein! dachte Wittebold. Sonst wär’ er nicht selber gekommen. Was es wohl ist? Bahn und Post gibt’s doch schließlich auch noch! Wollen mal abwarten, was dabei rauskommt!
Um nicht aufzufallen, ging Wirtebold auf die gegenüberliegende Straßenseite und schlenderte dort langsam auf und ab, wobei er Boffins Haus scharf im Auge behielt. Beinahe eine halbe Stunde hatte er so gewartet, da kam Meyer wieder heraus, rief ein Auto an und fuhr nach der Innenstadt davon.
Eine Verfolgung in diesem Verkehrsgewühl erschien aussichtslos. »Na«, knurrte Wittebold in sich hinein, »viel war’s ja nicht, was ich da ergattert hab’. Schade um das schöne Reisegeld! Aber wer kann’s wissen? Der gute Franz Meyer ... so ganz hasenrein ist er vielleicht doch nicht! Wäre vielleicht doch möglich, daß mein Reisegeld noch Zinsen trägt!« —
Schon geraume Zeit vor der Abfahrt setzte er sich in den Zug nach Langenau. Er war so in die Lektüre einer Abendzeitung vertieft, daß er aufschrak, als plötzlich Meyer vor ihm stand und ihm vergnügt zurief: »Ach, das trifft sich ja fein! Da hab’ ich wenigstens Reisegesellschaft. Schönes Städtchen, dieses Berlin! Man freut sich immer, wenn man mal aus unserem Nest rauskommt. Auch Geschäfte hier gehabt, Wittebold?«
»Ich – Geschäfte?« Wittebold lachte. »Hat sich was mit Geschäften! Mußte her zu ‘nem
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