Kautschuk
sich frei zu machen, reichte sie ihm ihr Glas und bat um ein neues. Während er den Cocktail mixte, setzte sie sich auf die Couch, entzündete eine Zigarette und lehnte sich ungezwungen in die Kissen. Als Waldemar ihr das Glas reichte, wies sie es zurück.
»Stellen Sie es, bitte, dahin! Später ... Ich langweile mich, Waldemar. Das Prachtwetter draußen ... Machen Sie doch einen Vorschlag! Raus ins Grüne – irgendwohin!«
»Ausgezeichnete Idee, Juliette! Ins Grüne ... Wie wär’s mit dem grünen Rasen?«
»Famos!« Juliette sprang auf, eilte auf Waldemar zu, der an seiner Bar saß, und küßte ihn auf die Augen. Er hielt sie an den Händen fest, als sie von ihm abließ, und schaute ihr glückselig lächelnd ins Gesicht. Da konnte sie nicht anders: sie beugte sich über ihn und küßte ihn auf den Mund, bis es ihr dunkel vor den Augen wurde.
Da riß sie sich los. Er wollte sie in die Arme nehmen – doch mit einem Sprung war sie bei ihrem Mantel. Im Nu hatte sie ihn übergeworfen, den Hut wieder über den Kopf gestülpt. »Ich bin fertig, Waldemar. Wollen Sie Ihre Dame noch lange warten lassen?«
Einen Moment stand er stumm. Sein Gesicht starr wie in grenzenloser Überraschung.
Juliette lachte laut heraus, griff ihn an den Schultern, schob ihn vor den Spiegel. »Waldemar – das Gesicht!« Ihr Gelächter überschlug sich. »Schade, daß kein Fotograf da ist!«
Da lachte auch er. »Warte, du Hexe!« Er ging in den Nebenraum, dessen Tür offenblieb. Juliette warf einen neugierigen Blick hinein. Da kam Waldemar zurück, sah ihren Blick und machte eine einladende Handbewegung: »Nett hier bei mir, nicht wahr?«
»Sieht mehr nach Damenboudoir aus, Waldemar.«
»Richtig, Juliette. Vor mir wohnte hier eine bekannte Bardiva ... Nehme an, daß meine Wirtin für rückständige Miete das Mobiliar ihres Schlafzimmers einbehalten hat. Wollen Sie es nicht mal ansehen? Es ist wirklich entzückend.«
»Nein – nein ... Später vielleicht ... Es ist höchste Zeit, wenn wir noch zurechtkommen wollen.« —
Das erste Rennen wurde gerade angeläutet, als sie auf die Tribüne kamen. Juliette war entzückt. Der sonnige Frühlingstag, das elegante Publikum um sie herum – das aufregende Spiel der Rennen ... Es bedurfte keiner großen Überredungskunst Waldemars, um ihr Glück mit ihm am Totalisator zu versuchen. Doch kein Pferd kam, auf das sie getippt. Waldemar verdoppelte den Einsatz, um den Verlust wieder einzubringen, und machte das Loch in seiner Brieftasche dadurch nur immer größer.
»Unglück im Spiel – Glück in der Liebe«, sagte er mehrmals, zu Juliette gewandt, und sah sie bittend, fragend an. Sie achtete kaum darauf. Die Wettleidenschaft hatte sie so ergriffen, daß sie nichts sah als Tips in der Rennzeitung vor ihr.
Das letzte Rennen. Juliette schlug einen sehr hohen Einsatz vor, um alle Verluste wiedergutzumachen. Waldemar zögerte einen Augenblick. Schlug’s fehl, war seine Brieftasche leer. Dann konnte er dem in Spieleifer glühenden Blick Juliettes nicht widerstehen. Mit einem unterdrückten Seufzer legte er den letzten Hundertmarkschein in die Hände des Buchmachers ... Schon jubelte es in Juliette – ihre Hände erhoben sich zum Klatschen ... Da stürzte ihr Pferd ... vorbei!
Bedrückt schob Waldemar seinen Arm unter den ihren. »Geplatzt, Juliette!« sagte er resigniert. »Na, vielleicht ein andermal! Heute tröste ich mich: ›Unglück im Spiel, Glück in der Liebe!‹«
Ein leichter Druck von Juliettes Arm ließ ihn die leere Brieftasche vergessen ...
Als er am nächsten Morgen auf seiner Bank eine Quittung über dreitausend Mark präsentierte, wurde ihm zu seinem Schrecken gesagt, daß nur noch zweitausenddreihundert Mark auf seinem Konto stünden. Er schrieb einen neuen Scheck über zweitausend aus. Die restlichen dreihundert sollten als äußerste Reserve auf der Bank bleiben. Mit dem Geld in der Tasche kam er in Juliettes Hotel.
Sie wartete in der Halle. Nach einem guten Frühstück machten sie eine Fahrt zum Wannsee, und Juliette, die lange nicht hier war, genoß den herrlichen Tag in vollen Zügen. Erst später fuhren sie zurück und soupierten wie zwei glückliche Kinder.
Theaterbesuche ... Bars ... ein Tag reihte sich an den andern. Waldemar vermied es ängstlich, sie an die Rennbahn zu erinnern, und doch sah er mit Entsetzen, wie sein Kassenbestand rapide abnahm.
Eines Morgens, als er sie wieder im Hotel aufsuchte, fiel Juliette sein zerstreutes, gedrücktes Wesen auf. »Was
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