Kautschuk
zu hausbacken.«
»Fehlt noch die Italienerin«, sagte Düsterloh, der sich köstlich amüsierte.
Gallardo machte eine abwehrende Handbewegung. »Zu impulsiv, zu anspruchsvoll für mich! Nein – nichts geht mir über eine Französin. Und nun gar die jetzige! Stets liebenswürdig, gewandt, schick, nicht unbescheiden – mit einem Wort: prima, prima!«
»Aber Sie kamen doch über Genua direkt hierher, Herr Gallardo?« meinte Düsterloh, der in immer bessere Laune geriet.
»Ich hatte eben Glück – machte da im Bad eine reizende Bekanntschaft: Fräulein Adrienne L’Estoile. Entzückendes Weib, sag’ ich Ihnen! Schade, daß mein Europaaufenthalt diesmal so kurz ist! Ich hab’ noch ein paar Geschäfte in Hamburg – fahre dann sofort nach New York. In fünf Tagen geht mein Dampfer, und das Vergnügen hat ein Ende. Meine Freundin reist über die Schweiz nach Frankreich zurück.«
»Und wo steckt Ihre bella principessa augenblicklich?« unterbrach Düsterloh. Er war überzeugt, daß Gallardo als Lebemann bei der Schilderung seiner Schönen nicht allzu sehr übertrieben hatte. Sein leichtentzündliches Herz gierte danach, die so Gerühmte von Auge zu Auge kennenzulernen.
»Oh – sie ist oben in ihrem Zimmer und wartet«, beantwortete Gallardo seine Frage.
Wie beiläufig sagte Düsterloh: »Schade, daß Sie Ihre Freundin nicht zu unserm Essen mitgebracht haben! In Damengesellschaft schmeckt es immer besser. Sie wird außerdem auch Appetit haben.«
»Pardon, Herr Düsterloh. Erst das Geschäft – dann das Vergnügen!« Nach kurzem Besinnen fuhr Gallardo fort: »Wenn’s Ihnen recht ist, ruf’ ich sie herunter.«
»Ich bitte darum, Herr Gallardo.« Und zu dem Kellner, der die Teller auf den Tisch brachte: »Noch ein drittes Gedeck, Herr Ober!«
»Außerordentlich dankbar, Herr Direktor!« versicherte Gallardo mit strahlendem Lächeln. »Ich werde Fräulein L’Estoile gleich benachrichtigen.« Als er vom Telefon zurückkam, sagte er wie entschuldigend: »Fräulein Adrienne bittet um etwas Geduld. Nachdem sie hörte, daß hier ein Frauenkenner von Rang sie erwartet, behauptet sie, sich unbedingt erst schön machen zu müssen.«
Und dann erschien sie. Schon bei der höchst zeremoniellen Begrüßung durch Gallardo nahm Düsterloh die Gelegenheit wahr, sie kritisch zu mustern, und wußte sofort, daß Gallardo nicht übertrieben hatte. »Bella principessa« konnte man füglich sagen. Es war nicht allein die Schönheit ihres regelmäßig geschnittenen Gesichtes, ihr tadelloser Wuchs, ihre elegante Toilette – nein, das allein hätte einem Mann wie Düsterloh nicht genügen können. Auch alle die anderen Vorzüge einer idealen Freundin hatte sie. Und von ihren frischen Lippen perlte lustig-geistreiches Geplauder, besonders drollig durch den französischen Akzent, mit dem sie die deutsche Sprache handhabte. Ein reizvoller Charm ging von allem aus, was sie tat und sagte.
Düsterloh war entzückt. Er dachte nicht mehr an die geschäftlichen Verhandlungen, sondern widmete sich ganz seiner schönen Nachbarin, die augenscheinlich seinen Huldigungen gegenüber nicht unempfindlich blieb. Als er nach dem Mahl sein Glas mit dem ihren zusammenklingen ließ, fing er einen Blick von ihr auf, der seine Wirkung nicht verfehlte.
Während der Kellner dann abräumte, verschwand Adrienne für kurze Zeit. Kaum war sie außer Sicht, wandte sich Düster-loh ohne Umschweife an Gallardo. Nach ein paar einleitenden Worten über die Vorzüge Adriennes, die in ihrem Überschwang selbst dem Mann aus heißen Zonen ein Lächeln entlockten, ging er direkt auf sein Ziel los. »Entschuldigen Sie, wenn ich ein bißchen mit der Tür ins Haus falle! Sie deuteten vorhin an, in fünf Tagen verließe Ihr Dampfer Hamburg, und Fräulein Adrienne führe allein über die Schweiz zurück. Sie gestatten wohl, daß ich mich ihrer da etwas annehme?«
»Sehr liebenswürdig, Herr Direktor! Ich bin überzeugt, es wird ihr ein Vergnügen sein, wenn Sie ...« Er trank Düsterloh schmunzelnd zu.
»Eh – in fünf Tagen erst geht Ihr Dampfer, sagten Sie? Offen gestanden – Sie nehmen es mir doch nicht übel? – fünf Stunden wären mir lieber!«
»Fünf Stunden?« Gallardo lachte heiter. »Da sind wir ja nicht einmal mit unserem Vertragsabschluß fertig!«
»Na, mein Freund«, meinte Düsterloh behäbig, »das dürfte doch etwas sehr reichlich sein. Wie war eigentlich unsere Differenz?«
Gallardo überfiel ihn mit einem Wortschwall. Die wirkliche Differenz
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