Kautschuk
Generaldirektor! Mich interessierte es zunächst, zu wissen, ob die Schriftstücke, die ich mitbrachte, tatsächlich Kopien der Eichenblattbriefe sind. Wie Sie sich wohl selbst überzeugt haben, ist ein Zweifel nicht möglich.«
Kampendonk nickte. »Aber was soll denn das alles?« sagte er ungeduldig.
»Oh – diese Sache hat nunmehr keine weitere Bedeutung. Sie diente nur dazu, mir Sicherheit über das Weitere zu geben, was ich vorzubringen habe.«
»Wie ...? Was ...?« stotterte Kampendonk. »Das wäre ohne Bedeutung? Gestatten Sie, daß ich darüber anderer Ansicht bin. Ich verlange von Ihnen zu wissen, von wem Sie diese Kopien haben!«
Fortuyn hob beschwichtigend die Hand. »Darüber später, Herr Generaldirektor. Ich bitte, mich jetzt darüber nicht weiter zu fragen. Das, was mich veranlaßte, Sie um eine Unterredung zu bitten, ist von einer viel größeren Wichtigkeit. Ich kann jetzt, nachdem ich die Eichenblattbriefe gesehen habe, viel sicherer sprechen.« Fortuyn verwahrte die Kopien wieder in seiner Brieftasche. »Jetzt möchte ich Sie bitten, Herr Generaldirektor, mein letztes Exposé aus dem Archiv kommen zu lassen.«
Kampendonk schüttelte verwundert den Kopf. »Rätselhaft – das alles ... Aber meinetwegen – Sie sollen Ihren Willen haben!« Er rief Dr. Hempel an, sagte ihm seinen Wunsch. »Und nun, lieber Herr Fortuyn, äußern Sie sich doch endlich deutlicher!«
»Ich bitte um Verzeihung, Herr Generaldirektor. Ick möchte erst sprechen, wenn das Schriftstück hier ist, um eine Störung zu vermeiden.«
Kampendonk warf einen durchdringenden Blick auf Fortuyns Gesicht. Was er in dessen Augen las, erfüllte ihn mit einer gewissen Unruhe. Der Mann, der so gelassen sprach ... nichts Gutes lauerte hinter dessen verschlossenen Mienen.
Das Eintreten Dr. Hempels unterbrach die Stille. Der Archivverwalter überreichte Kampendonk das Exposé. Der gab es schweigend an Dr. Fortuyn und sah erstaunt, wie der sich hastig darüberneigte, es scharfen Blickes Seite für Seite durchmusterte. Jetzt hob er den Kopf.
»Vielleicht darf Herr Doktor Hempel im Vorzimmer warten, Herr Generaldirektor!«
»Gewiß ...« Kampendonk deutete auf die Tür zu dem Zimmer seiner Sekretärin.
Kaum hatte sich die Tür hinter Doktor Hempel geschlossen, da sprang Fortuyn auf und war mit ein paar hastigen Schritten an Kampendonks Seite. Mit leicht zitternden Händen entfernte er die Klammern, die die Blätter des Exposés zusammenhielten, und begann dann zu sprechen. Seine Stimme klang zwar vollkommen beherrscht, doch verriet sein heftiges Atmen starke innere Bewegung.
»Sie sehen hier, Herr Generaldirektor, an den Ecken der Blätter: bald deutlich, bald undeutlich die Spuren von Reißnägeln!«
Kampendonk sah nur flüchtig dorthin, wo Fortuyn hinzeigte; er konnte seine Unruhe nicht länger bemeistern. »Hören Sie endlich auf, mir Rätselaufgaben zu stellen! Sagen Sie, um was es sich handelt!«
»Jawohl, Herr Generaldirektor. Es handelt sich um folgendes: Am einundzwanzigsten April hat Herr Direktor Düsterloh von Doktor Hempel sich dies Exposé geben lassen und es mit nach Berlin genommen. Am Mittag des übernächsten Tages gab er es zurück. Und ich behaupte, das Schriftstück ist in Berlin von irgendeiner Seite, die Interesse daran hatte, Blatt für Blatt fotokopiert worden. Daher die Spuren der Reißnägel! – Am zweiten Mai bekamen Sie, Herr Generaldirektor, von dem Agenten der MEA-Werke aus Schottland die Nachricht, daß man dort nach meinem Verfahren unter Benutzung hiesigen Materials arbeite. Damals zerbrachen wir uns allesamt den Kopf, auf welche Weise die da drüben in den Besitz unserer Fabrikationsgeheimnisse gelangt seien. Jetzt dürfte diese Frage gelöst sein. Die Fotokopien meines Exposés waren jene Unterlagen, von denen unser Vertrauensmann berichtete.« Fortuyn ging hochaufatmend an seinen Platz zurück, setzte sich.
Kampendonk hatte den Kopf in die Hand gestützt, sah zur Seite. »Was Sie da vorbringen, Herr Doktor ... Wirklich kaum glaublich ... Und doch ... Nur eins vorweg!« Er sprach es laut, betont: »Ich halte es für gänzlich ausgeschlossen, daß etwa Düsterloh bei diesen – hm! – von Ihnen vermuteten Manövern direkt oder gar aktiv beteiligt ist.«
»Ich habe mit keinem Wort – auch nicht andeutungsweise – Herrn Direktor Düsterloh beschuldigt«, erwiderte Fortuyn, ebenfalls mit starker Betonung. »Ich möchte Sie überdies bitten, Herr Generaldirektor, bei der weiteren Untersuchung mich
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