Kautschuk
Zweifel zu setzen, erscheint völlig ausgeschlossen. Wie kommen Sie zu Ihrer Annahme? Welche Beweise haben Sie dafür, daß mit dem Dokument Mißbrauch getrieben wurde?«
»Wollen Sie sich, bitte, hier mal die Ecken der Blätter ansehen, Herr Düsterloh! Vielleicht mit diesem Vergrößerungsglas! Dann wird es noch deutlicher ... daß nämlich auf jedem Blatt sich Abdrücke von Reißnägelköpfen bemerkbar machen. Welche Erklärung haben Sie dafür?«
Düsterloh richtete sich auf, trat mit hochrotem Kopf einen Schritt zurück. »Reißnägelabdrücke? ... Sollte Professor Janzen ...«
»Nein, Herr Düsterloh! Wollte sich Herr Janzen eine Kopie machen, dann hätte er nicht die Kamera, sondern die Schreibmaschine benutzt. Seine Vernehmung ist augenblicklich nicht möglich; würde auch erst nötig sein, wenn Sie uns beweisen könnten, daß ein Mißbrauch des Exposés, solange es sich in Ihrem Besitz befand, unmöglich war.« Düsterloh wollte aufbrausen, doch Kampendonk gebot ihm Schweigen. »Wollen Sie bitte, Platz nehmen, Herr Düsterloh, und die Fragen beantworten, die Ihnen Doktor Wolff stellen wird!«
»Ein Verhör?« Wieder wollte Düsterloh aufbegehren. »Ein regelrechtes Verhör, durch Herrn Doktor Wolff?«
»Allerdings! Und es wird viel davon abhängen – für Sie wie für uns –, wie diese – hm! – Befragung ausläuft. Sie erinnern sich doch, daß unser Agent aus Schottland vor einiger Zeit meldete, daß man dort mit Fortuynschem Material arbeite? Allem Anschein nach sind wir jetzt dahintergekommen, auf welche Weise die Leute in den Besitz dieses Materials gelangt sind. ›Material‹ und ›Exposé‹ dürften in diesem Falle das gleiche sein!«
Düsterloh war blaß geworden. Er wollte sprechen, konnte aber nur zusammenhanglose Worte vorbringen. Auf einen Wink Kampendonks begann Dr. Wolff die Vernehmung, stellte Stunde für Stunde jeden Schritt fest, den der Direktor seit dem Verlassen des Werkes an jenem Tage getan. Düsterloh dankte im stillen dem Himmel, daß er sich in Berlin nicht einige seiner sonst üblichen Eskapaden geleistet, sondern den Abend solide in der angenehmen Gesellschaft Bosfelds und der englischen Dame verbracht hatte.
Nachdem Wolff mit ihm alles bis zu seiner Rückkehr nach Langenau durchgesprochen hatte, glaubte er erleichtert aufatmen zu können. Da begann der Inquisitor sich noch einmal peinlich für das Souper im Restaurant Lahti zu interessieren. Und nach unzähligen Kreuz- und Querfragen wandte er sich zu Kampendonk und sprach betont: »Der Diebstahl oder, wenn man es so nennen will, der Mißbrauch mit dem Exposé ist bei Lahti verübt worden.«
In kurzen, bestimmten Sätzen erklärte er, wie er zu. dieser Annahme komme, und Düsterloh wurde von Minute zu Minute gedrückter; er wagte, als endlich Wolff die Kette seiner Beweisgründe schloß, nicht mehr den Mund zu öffnen. Niedergeschmettert saß er da. Seine Lippen bewegten sich, unfähig, Worte zu formen.
»Auf jeden Fall«, beendete Wolff seine Darlegungen, »werde ich mich der Sicherheit halber sofort eingehend über die Person dieses Herrn Bosfeld erkundigen. Die verführerische Engländerin«, setzte er mit leichtem Lächeln hinzu, »wird wohl längst in ihre Heimat zurückgekehrt sein.«
»Ich habe«, erklärte Kampendonk, »anschließend eine Sitzung des Direktoriums berufen. Sie werden einsehen, Herr Düsterloh, daß ich von alledem dem Direktorium Mitteilung machen muß. Sie persönlich sind von der Teilnahme an dieser Sitzung entbunden.«
Mit einem leichten Kopfnicken war Düsterloh entlassen. Kampendonk winkte Wolff. »Kommen Sie mit, Herr Doktor! Sie können an der Sitzung teilnehmen.«
Als Kampendonk in den Sitzungssaal trat, sah er dort auch Dr. Moran und Dr. Fortuyn. Er winkte seine Sekretärin zu sich. »Was sollen die beiden hier?«
»Verzeihung, Herr Generaldirektor. Ich sollte dieselben Herren zu der Sitzung zusammenbitten, die bei der vorigen zugegen waren, und da glaubte ich ...«
»Nun – meinetwegen! Wenn sie einmal da sind ... Immerhin dürften Sie wissen, daß die beiden Herren nicht zum Direktorium gehören, Fräulein Knappe!«
Kampendonks Ausführungen schlugen wie eine Bombe zwischen die versammelten Direktoren. Niemand – auch keiner von den Freunden Düsterlohs – fand ein Wort der Entschuldigung für ihn. Als sich die Wogen der Erregung gelegt hatten, ließ sich Kampendonk die letzte Mitteilung aus England geben und las jene Stelle, die er auch schon Fortuyn gezeigt hatte, laut
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