Kautschuk
besprachen, als Fingerzeig benutzen können, um vielleicht ...«
Fortuyn unterdrückte ein leises Lächeln und verneigte sich stumm. Als Kampendonk gegangen war, saß er noch lange Zeit nachdenklich an seinem Schreibtisch, die Person des Bürodieners Wittebold vor seinen inneren Augen.
Dieser Mann – damals den Lockungen des Geldes erlegen ... Charakterschwäche? ... Einem schwachen Charakter solche Dinge anvertrauen –? Unmöglich! Und doch: das Wesen, die Züge dieses Mannes sympathisch, vertrauenerweckend ... Wo war hier die Kluft zwischen Denken und Handeln bei ihm gewesen?
Hatte er nicht auch andeutungsweise von einer Frau gesprochen – seiner Frau? Gewiß! Er war ja verheiratet gewesen in Ludwigshafen, war mit ihr nach England übergesiedelt ... Und dort? Was war dort mit der Frau geschehen?
Wut – Haß gegen einen Mann ... wer war es doch gleich? Nein – darüber hatte er nichts Näheres gesprochen. Hm – hm ... Fortuyn kniff die Augen zusammen. Sollte nicht hier der Sprung in Wittebolds Charakter zu suchen sein? Die liebe zu seiner Frau der Grund, daß er so kläglich Schiffbruch gelitten ... Und sein Haß gegen Hopkins? War Hopkins vielleicht jener Mann, der ...
Je länger Fortuyn grübelte, desto unschlüssiger wurde er. Sollte er es wagen, Wittebold volles Vertrauen zu schenken? Ja – wenn er das bestätigt wüßte, was er sich selbst eben als wahrscheinlich zusammengereimt, dann durfte er’s wohl wagen ... Was tun? An wen sich wenden, um Sicherheit zu bekommen?
Plötzlich sprang er auf. Ein Gedanke! Was ein Mann eines anderen Mannes Ohr wohl verschwieg, einer Frau würde er es leichter anvertrauen. Zu Tilly wollte er gehen! Sie, auf deren Verschwiegenheit er sich verlassen konnte, sollte versuchen, aus Wittebold all das herauszuholen, was ihm selber noch fehlte, um sich ein abschließendes Bild von dem Charakter des Mannes zu machen.
Sofort, nachdem Kampendonk Fortuyn verlassen hatte, war Dr. Wolff zu dem Generaldirektor gekommen und hatte in langer Unterredung seinen Plan, dem Spionageunwesen zu Leibe zu gehen, entwickelt. Immer wieder war dabei Kampendonk der Gedanke gekommen: Wie gut wäre es doch, wenn dieser Eichenblattmann aus seiner Verborgenheit hervorträte! Ein Zusammenarbeiten mit Wolff würde äußerst zweckdienlich sein. Gewiß, Wolff war sehr tüchtig und pflichteifrig; aber er war erst seit kurzem im Werk und verfügte noch nicht über größere Erfahrungen.
Kampendonk sah auf die Uhr und sprach dann ins Telefon: »Wollen Sie Herrn Direktor Düsterloh zu mir bitten!«
Der trat bald darauf ein. Der kühle Empfang durch Kampendonk, die Anwesenheit Wolffs befremdeten ihn. Der Generaldirektor schlug eine Mappe auf, in der das Fortuynsche Exposé lag. »Dieses Dokument, Herr Düsterloh, hatten Sie sich am einundzwanzigsten April im Archiv von Doktor Hempel geben lassen?«
Düsterloh nickte zustimmend.
»Sie haben dieses Schriftstück mit nach Berlin genommen. Wozu? Warum?«
Düsterlohs Mienen verrieten Verlegenheit. »Allerdings, Herr Generaldirektor. Ich nahm es mit, um es unserem alten Freund Janzen für einen Tag zur Verfügung zu stellen. Der hat bekanntlich mit Professor Bauer eine Kontroverse und brauchte wissenschaftliches Material. Ich übergab es ihm zu treuen Händen und bin gewiß, daß kein Mißbrauch damit getrieben wurde.«
»Hm! Was zunächst einmal die Sache selbst betrifft, so muß ich mich, offengestanden, sehr wundem, Herr Düsterloh, daß Sie, der Sie schon so lange dem Werk angehören, ein wichtiges Schriftstück aus dem Werk für längere Zeit entfernten. Es hätte Ihnen doch klar sein müssen, daß damit – von Professor Janzen abgesehen – leicht etwas passieren konnte. Um ein einfaches Beispiel zu nehmen: Ihr Koffer konnte gestohlen werden. Das kommt doch – möchte ich sagen – tagtäglich vor. In der Eisenbahn, im Hotel ... Haben Sie daran nicht gedacht?«
Düsterloh rückte unruhig auf seinem Stuhl. »In gewisser Beziehung ja, Herr Generaldirektor. So ganz ohne Bedenken war ich nicht. Aber ich habe das Dokument stets in meiner Aktentasche bei mir gehabt – abgesehen von den Stunden, wo es sich im Hause Professor Janzens befand. Aber was soll das alles? Das Exposé ist doch da!«
»Allerdings. Aber nachdem es heimlich fotokopiert worden ist, Herr Direktor Düsterloh!«
»Unmöglich! Ausgeschlossen!« Düsterloh sprang auf und trat näher an Kampendonk heran. »Das Exposé ist nicht aus meiner Hand gekommen, und in Janzens Ehrlichkeit
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