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Kautschuk

Kautschuk

Titel: Kautschuk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Dominik
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wenden?«
    »Frankfurt, die dortige Polizei ist am besten auf derartige Manöver eingespielt. Ihre Beamten können dort den Zug besteigen und schon während der Fahrt die Dame ermitteln.«

Es ging auf Mitternacht zu, als Dr. Wolff in der Villa Kampendonk anrief. »Herr Generaldirektor, die Dame ist verhaftet! Die Papiere hat man ihr abgenommen!«
    Wittebold hatte sich in seiner Wohnung als Ersatz für das versäumte Mittagessen ein kleines frugales Mahl bereitet und wollte sich eben ein bißchen aufs Ohr legen, da kam Frau Luise Schappmann herein und brachte ihm einen Brief. »Einen schönen Gruß von Frau Gerland ... Portiers kleiner August hat eben den Brief für Sie abgegeben.«
    Wittebold schnitt den Umschlag auf. Ein heller Glanz trat in seine Augen. Stand doch da, daß Frau Gerland sich die Ehre gäbe, Herrn Wittebold am Abend zu einer Tasse Tee einzuladen ...

Als am nächsten Morgen Fortuyn durchs Laboratorium ging, nickte er Tilly Gerland bedeutungsvoll zu. Sie folgte ihm in sein Zimmer.
    »Nun, Fräulein Tilly, wie war’s? Ist er gekommen? Ja? Und hat er freiwillig erzählt, oder haben Sie es nur mit weiblichem Scharfsinn herausgeholt?«

Tilly schüttelte den Kopf. »Nein! Das hatte ich nicht nötig. Im Gegenteil! Mir kam es vor, als ob der Mann danach gelechzt hätte, mal eine Seele zu finden, der er sein Herz ausschütten könne. Und ich kann Ihnen versichern, Herr Doktor Fortuyn, er hat alles ausgeschüttet, was er auf dem Herzen hatte. Die äußersten Winkel hat er ausgefegt. Er konnte sich kaum genug tun mit Selbstanklagen, Beteuerungen ... Es ist natürlich so, wie Sie vermuteten. Fast ließe sich das abgegriffene Wort gebrauchen: ›Cherchez la femme!‹ Und nun will ich Ihnen noch einmal ohne alle Beschönigung das alles wiedererzählen, was er sich gestern abend von der Seele geredet ...«
    Während Tilly erzählte, schaute Fortuyn sie immer wieder verwundert an. Wie doch, von Frauenmund erzählt, solch – gewiß tragisches – Schicksal viel stärker packte! Doch in Erinnerung an die groben Vertrauensbrüche, wie sie im Werk in der letzten Zeit häufig passiert waren, suchte Fortuyn sich von dem Eindruck, den Tillys Schilderung auf ihn ausgeübt, wieder freizumachen.
    Als Tilly geendet, fragte er so leichthin: »Sie haben ja anscheinend einen außergewöhnlich guten Eindruck von Wittebold bekommen, Fräulein Gerland?«
    Tilly sah ihn einen Augenblick erstaunt an. War’s ihr doch, als ob aus Fortuyns Worten ein leichter Zweifel klänge. Verletzt schaute sie zur Seite und sagte nur: »Ich wünschte, Herr Doktor, Sie wären gestern abend in meiner Wohnung zugegen gewesen. Ich glaube kaum, daß Sie dann noch einen Zweifel hätten.«
    »Gut! So mag es sein!« Fortuyn streckte Tilly die Hand entgegen. »Ich danke Ihnen, Fräulein Tilly. Ich verlasse mich, wie schon immer, vollkommen auf Sie. Wenn Sie Wittebold sehen, schicken Sie ihn, bitte, zu mir!«
    »Jawohl, Herr Doktor. Nur noch eine Frage: Wie kamen Sie denn dahinter, daß dieser schlichte Bürodiener in Wirklichkeit der Chemiker Doktor Hartlaub ist?«
    »Ich machte im Lauf der Zeit öfter mal Beobachtungen, die mir auffielen. So zeigte es sich, daß Wittebold wenn er Aufträge für Chemikalien bekam, ungewöhnlich gut Bescheid mit der Sache wußte und daß viele chemische Formeln ihm geläufig waren. Auch erwischte ich ihn eines Tages im Botenzimmer bei der Lektüre einer amerikanischen chemischen Zeitschrift, die er wohl aus einem Papierkorb aufgelesen hatte. Lauter Verdachtsmomente also, die mich mißtrauisch machten. Und gelegentlich meiner letzten Reise nach Süddeutschland fand mein Argwohn neue Nahrung. Da hing bei einem Freund in Ludwigshafen ein Bild aus dessen Studienzeit. Scherzeshalber fragte er mich: ›Findest du mich wohl unter denen raus?‹ Ich sah mir die einzelnen Köpfe daraufhin sehr genau an, und da fiel mir das Gesicht eines Studenten auf, das nur bis zum Mund sichtbar war. Diese Züge kämen mir merkwürdig bekannt vor, meinte ich. Der Freund machte eine abfällige Handbewegung: ›Mein früherer Kollege Hartlaub; war auch mal hier als Assistent angestellt und ging später unter wenig schönen Umständen ins Ausland‹. – Dadurch wurde mein Verdacht noch verstärkt. Denn wenn unser Wittebold wirklich mit diesem Hartlaub identisch war, dann konnte er zu keinem anderen Zweck nach Langenau gekommen sein, als um Werkspionage zu treiben. Ich beschloß daraufhin, ihn scharf im Auge zu behalten, und glaubte, ihn nach jener

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