Kautschuk
auf seinem Schreibtisch entdeckt. Aber Gerard, der alte Filz, wollte die Prämie dafür nicht in so viele Teile gehen lassen. Hat deshalb die Sache nur mit Gallardo und mit der L’Estoile aufgezogen ... Na, ist die Sache nun schon mal so weit schief gegangen, wird hoffentlich wenigstens die Demoiselle Adrienne dicht halten ... Unsre treue Juliette würde es in solcher Lage jedenfalls tun.«
»Unsre Juliette! Ja, das ist ganz was anderes!« sagte Boffin und betrachtete seine Fingerspitzen.
»Wäre sie nicht schon als Mistreß Alice Johnson mit Düsterloh bei Lahti gewesen«, warf Bosfeld ein, »hätte man lieber sie zu Gallardos Freundin ernennen sollen.«
Boffin wandte sich in gemachtem Entsetzen ab und streckte abweisend die Hände von sich. »Juliette?! Was denken Sie, Herr Bosfeld? Glauben Sie etwa, unsre Juliette hätte ein derartiges ›Verwechselt das Bäumchen!‹ gespielt? Um Gottes willen! Gewiß, sie arbeitet mit allen Kräften für uns ... aber das hat bei Juliette seine Grenzen.«
»Oho, Herr Boffin! So ein Pflänzchen Rührmichnichtan? Mister Hopkins ist doch verlobt! Oder besteht diese Verlobung nur in einer geschäftlichen Interessenvereinigung? Sagten Sie nicht neulich mal, Sie hätten ein Bild von Hopkins’ Braut?«
»O ja! Habe ich! Das heißt, das Brautpaar ist auf einem Bild.« Boffin kramte in seinem Schreibtisch und holte eine Fotografie heraus.
Bosfeld betrachtete das Bild einen Augenblick und sagte nur trocken: »Was muß die Geld haben!«
Boffins Schnauzbart geriet in heftige Zuckungen; der Kneifer kam wiederholt ins Rutschen. Er wagte nicht, bei dieser offenbaren Verspottung Dollys zu applaudieren, prustete dann aber doch schließlich laut heraus.
In diesem Augenblick klingelte es.
»Sollte es Juliette sein?« Boffin ging zur Tür. Sie war es. Er überschüttete die Erwartete mit überschwenglichen Begrüßungsworten. Dann führte er sie an seinem Arm in das Zimmer. »Eine kleine Überraschung, meine Gnädigste! Herr Bosfeld ist hier – ein alter Bekannter.«
»Ah, wirklich – Sie sind es, Herr Bosfeld? Ist ja sehr nett!«
Lachend reichte sie Bosfeld die Hand, der die in ihrer duftigen Frühlingstoilette entzückende Frau mit den Augen verschlang. »Ist Ihre Freude wirklich echt, teuerste Frau Juliette?«
»Aber natürlich, Herr Bosfeld! Waren Sie doch mein Partner bei meinem Debüt! Und wir unterhielten uns doch damals glänzend! Übrigens, wie war’s? ... Doch nein, erst eine Vorfrage: Sind Sie heut abend frei?«
»Frei? Für Sie immer, Gnädigste!«
»Wie wär’s, wenn wir zusammen soupierten? Ich hörte von Fräulein Collins, Sie könnten so nette Jagdgeschichten erzählen – oder vielmehr so Geschichten von Jagdessen. Fräulein Collins schwärmt direkt für Sie – respektive für diese Geschichten. Unser guter Boffin, der alte Löwenjäger, geht auch mit, und wir feiern einen vergnügten Abend, gewürzt durch Bosfelds Jagdgeschichten!«
Die beiden Herren sprangen auf, küßten ihr abwechselnd die Hände. »Entzückend! Großartig! Juliette, Sie sind das göttlichste Weib auf Erden! Machen wir! Machen wir!«
»Schön! Schön!« rief Juliette lachend. »Und wir gehen natürlich wieder zu Lahti. Dort wollen wir ...« Sie brach kurz ab und sah erstaunt auf die Gesichter der beiden Herren.
»Nicht zu Lahti!« Boffin schüttelte den Kopf. »Sie wissen doch, wie oft ein ... nun, sagen wir mal: ein Mensch, dem das Gericht auf den Fersen ist, dadurch ertappt wird, daß er zum Tatort zurückkehrt. Das soll man nie tun. Sie mögen das vielleicht für Aberglauben halten. Aber ich muß offen sagen, das Vergnügen des Abends wäre für mich nur halb.«
»Ja, ja, Frau Juliette«, bestätigte Bosfeld. »Es ist tatsächlich so. Man tut so etwas nicht. Könnten da doch Personen sein, denen gewisse Erinnerungen auftauchen. Gehen wir doch zu Rebstock! Da ist’s auch sehr nett.«
In diesem Augenblick schlug die Schreibtischuhr die zwölfte Stunde. »Nun dürfte Herr Meyer wohl bald fällig sein«, sagte Bosfeld. »Möchte wissen, was der auf dem Herzen hat. Muß gestehen: Sehr sympathisch ist mir der Kerl nicht.«
Boffin wiegte den Kopf. »Schon richtig, Herr Bosfeld. Aber er leistet uns wirklich sehr gute Dienste.« Schritte auf dem Flur ließen ihn aufhorchen. Er ging hinaus und rief durch die halb-offene Tür zurück: »Er ist da!«
Meyer begrüßte mit einer linkischen Verbeugung die anderen, setzte sich, entnahm seiner Tasche eine gewaltige Zigarre, biß die Spitze ab
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