Kautschuk
Gatte ...« Der Generaldirektor unterdrückte den Rest des Satzes. »Nun – ein Versuch kann natürlich nichts schaden! Sie haben sich wohl schon mit Vocke in Verbindung gesetzt?«
»Ja, Clemens hat ihm durch unseren Hausarzt ein Krankheitsbild übermitteln lassen. Doktor Vocke antwortete zwar ausweichend, aber Clemens besteht darauf, sich in das Sanatorium zu begeben.«
Fortuyn war bei Johannas Worten etwas zur Seite getreten, so daß sie Kampendonk unmittelbar gegenüberstand und zu dem nun freier das aussprechen konnte, was ihm gegenüber auszusprechen ihr wohl schwerfallen mußte.
»Dann soll die Übersiedlung wohl bald stattfinden?« fragte Kampendonk.
»Gewiß, Clemens brennt vor Ungeduld, obgleich sein Zustand augenblicklich nicht so gut ist, wie es für eine derartig weite Reise zu wünschen wäre. Ich werde ihn selbst in das Sanatorium bringen und dann eine große Vetternreise unternehmen.«
»Das ist gut, meine liebe kleine Frau! Das ewige Krankenzimmerhocken ist auf die Dauer nichts. Sie sehen mir recht blaß aus. Wann werden Sie fahren? ... Übermorgen? Oh! Dann werde ich leider keine Gelegenheit mehr haben, Ihren Gatten besuchen zu können. Grüßen Sie ihn von mir und überbringen Sie ihm meine besten Wünsche zur Genesung!«
In Fortuyn wirbelte das Gehörte durcheinander. Tausend Fragen drängten sich ihm auf. Da wandte sich Kampendonk zu ihm. »Einen Augenblick, Herr Doktor Fortuyn. Sie gestatten doch, Frau Terlinden?«
Und dann war es nicht anders als vorher mit Herrn Oboro. Aus dem Augenblick, von dem Kampendonk gesprochen, wurden Viertelstunden. Fortuyn stand wie auf glühenden Kohlen.
Seine Augen suchten immer wieder Johanna. Er wunderte sich im stillen, warum Kampendonk ihn eigentlich ihr entführt habe. War doch das meiste, was er da sprach, nicht von besonderer Wichtigkeit.
»Es ist übrigens ein Bericht unseres Agenten aus England angekommen, der mir sehr rätselhaft, wenn nicht gar unglaublich vorkommt.« Kampendonk unterbrach sich und nahm vom Servierbrett des Kellners Meyer ein Glas Wein. Setzte es dann wieder zurück und ließ die Gläser zu einem kleinen Tischchen bringen, an dem er sich mit Fortuyn niederließ. »Wie gesagt: der Bericht unseres Agenten ist mir vollkommen schleierhaft.«
Beide achteten nicht darauf, daß der Kellner mit seinem Wischtuch andauernd die Platte bearbeitete, obgleich nicht das geringste Fleckchen darauf war. Hätten nicht ein paar durstige Herren ihn energisch zu sich gerufen, würde er sich wohl noch länger da bemüht haben, obwohl doch die Worte Kampendonks nur für Fortuyns Ohren bestimmt waren.
»Nun, mein lieber Doktor, Sie können mir da vielleicht Aufklärung geben. Der Agent behauptet, man habe neues Material von hier bekommen. An sich von größter Wichtigkeit. Doch wären alle Versuche, danach zu arbeiten, bisher gescheitert. Was mag das sein? Ich will mal darüber hinwegsehen, daß es wieder auf irgendeine rätselhafte Weise gelungen ist, hier Material zu stehlen ...«
Fortuyn überlegte einen Augenblick. Dann spielte trotz des Ernstes der Sache ein sonderbares Lächeln um seinen Mund. Hohn, Spott, Freude.
Der Generaldirektor schaute ihn verwundert an. »Nun, was ist? Ihr Gesicht ist mir, offen gestanden, ebenso rätselhaft.«
Fortuyn wollte sprechen, da stellte der aufmerksame Kellner Meyer einen Aschbecher zwischen die beiden Herren, obwohl keiner von ihnen rauchte. Fortuyn wartete, bis der sich entfernt hatte, und sprach dann leise: »Ich freue mich gewissermaßen über Ihre Nachricht, Herr Generaldirektor. Zeigt sie mir doch, wie gute Vorsicht belohnt wurde! Wie Sie wissen, steh’ ich in Verbindung mit Professor Bauer in Aachen, der sich des öfteren von mir Rat für seine literarischen Veröffentlichungen erbittet. Bei seiner notorischen Zerstreutheit gab ich ihm bei einer Zusammenkunft die Notizen, die er als Unterlagen benötigte, mit fingierten Werten. Da die Werte selbst für Bauer ja kein Interesse haben, konnte ich das ruhig tun. Ich kann mir nun nichts anderes denken, als daß es der Gegenseite irgendwie gelungen ist, sich bei Bauer in diese Notizen Einblick zu verschaffen. Und nun sind die Herrschaften da drüben prompt auf den Leim gekrochen und arbeiten verzweifelt mit diesen falschen Ziffern!«
Auch der Generaldirektor konnte ein leichtes Lächeln nicht unterdrücken, schüttelte aber dann den Kopf. »Ist und bleibt doch unglaublich, wie raffiniert hier Werkspionage getrieben wird! Wie konnte man wissen, daß
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