Kautschuk
wie das bei Schaltanlagen üblich ist. Und dann den Isolationskautschuk gründlich untersuchen. Dieser Versuch sagt mir gar nichts.«
Er ging aus dem Zimmer und kam nach kurzer Zeit zurück, ein Stück des eben abmontierten Kabelmantels in der Hand.
»Was schleppen Sie denn da an, mein Lieber?« Tilly guckte neugierig über Rudis Schulter, als dieser wortlos mit einer mikroskopischen Untersuchung begann und einen Zettel mit Formeln bedeckte.
»Das hab’ ich so im Vorbeigehen den Leuten da drüben gemaust. Die haben den ganzen Kabelmantel zerschnitten und sind eifrig beim Untersuchen. Ist ja keine Werkspionage. Habe mir nur mal erlaubt, ein Stückchen vom Boden aufzuheben, um selbst nachzusehen, wie das Zeug nach dem Versuch aussieht. Kommen Sie ‘mal her, geliebtes Kind ...«
»Rudi ...« Tilly wollte gerade wieder eine bissige Randbemerkung machen, als sie von Rudi wortlos an das Mikroskop gezogen wurde. »Nun sehen Sie sich das mal an.«
Tilly blickte durch das Okular. »Sehen Sie war, Mädchen?« »Kann das nicht genau erkennen, das Zeug scheint porös geworden zu sein ...«
»Na, bitte, und das nach einer Stunde; möchte nicht da unten stehen, wenn eine Dauerbelastung mit 20 Millionen vorgenommen wird, passen Sie mal auf, wie dann die Funken fliegen werden. Stimmt absolut nicht, die Geschichte! Oder meinen Sie etwa was anderes? Dann erlaube ich Ihnen, zu Doktor Lehnert zu gehen. Dem hab’ ich nämlich, als er mich anflachste, auch so’n bißchen den Star gestochen. Ja – dann gehn Sie ruhig rüber und sagen Sie, der Doktor Rudolf Wendt wäre ein Idiot!«
»Das werde ich, glaub’ ich, nicht tun, mein lieber Rudi. Aber bei der Fixigkeit, mit der Sie Ihre Formeln hier hingehaun haben, kann schließlich doch ein Irrtum unterlaufen sein, den ich nicht sofort feststellen kann. Doch Geduld!« Sie schob ihre Arbeiten beiseite. »Ich werde mich gleich daranmachen. Und wenn’s stimmt, Rudi, dann ...«
Rudi formte die Lippen zu dem Wort ›Kuß‹. Da hob Tilly drohend den Finger. »... erhalten Sie morgen ‘ne Einladung zu Ihrem Leibgericht – puh, mir graut’s! – Schlesisches Himmelreich.«
»Prima, prima, Tilly!« rief Rudi strahlend. »Werde von jetzt ab fasten. Denn stimmen tut’s, das kann ich Ihnen sagen! Ihre Portion esse ich jedenfalls mit! – Haben Sie sich übrigens mal den Fall überlegt, wie Sie sich stellen würden, wenn Ihr zukünftiger Gatte ausgerechnet ein Liebhaber dieses köstlichen Gerichts wäre? Ich würde mich unbedingt scheiden lassen, wenn etwa meine Zukünftige es mir nicht jede Woche wenigstens einmal auf den Tisch setzte!«
»Gut, daß Sie das sagen, Rudi! Ich werde mich danach richten.«
»Wie meinen Sie das?«
»Ich meine, Rudi, daß Sie – abgesehen von einigen wenigen löblichen Momenten – ein großer Frechdachs sind!«
Die Mittagsglocke schrillte. Rudi wollte fortgehen, doch Tilly hielt ihn zurück und gab ihm den beschriebenen Bogen. »Es stimmt tatsächlich! Möchten Sie mir ‘nen Gefallen tun, Rudi?«
»Aber selbstverständlich, Tilly! Was soll ich denn?«
»Bringen Sie doch das alles noch mal mit erläuternden Ausführungen in anständiger Form zu Papier! Wissen Sie: so, wie Sie’s etwa als Examensarbeit machen würden.«
Rudi machte ein saures Gesicht. »Na meinetwegen! Wann wollen Sie es denn haben?«
»Sobald als möglich!«
»Na schön! Auf Wiedersehn!« —
Am nächsten Morgen übergab Rudi Tilly ein ziemlich umfangreiches Schriftstück. Die nahm es, durchblätterte es. »Menschenskind! Wann haben Sie denn das gemacht? Das sind ja weit über zwanzig Seiten!«
»Na, wann soll ich’s gemacht haben? Heute nacht. Fünf Stunden meiner unentbehrlichen Nachtruhe hab’ ich geopfert.«
Tilly reichte ihm die Hand. »Danke Ihnen herzlich, Rudi! Sie sind doch ein Prachtkerl!«
»Werde Sie gelegentlich daran erinnern, Tilly!«
Rudi ging an seinen Platz und schob seine Apparate zurecht. »Verfluchter Kram!« murmelte er brummend vor sich hin. »Siebzehn Versuche mit Kohlenwasserstoffen vom Pentan bis zum Oktan hab’ ich schon hinter mir ... Resultat: null Komma null! – Weitere siebzehn blühen mir sicher noch ... Der Teufel soll den langweiligen Kram holen!«
Er ging zu Tillys Tisch zurück und sagte: »Sie haben sich ja auch schon mit den negativen Versuchen der Methanreihe beschäftigt. Was denken Sie davon, wenn man mal ungesättigte Kohlenwasserstoffe in gewissen Prozenten zugibt?«
»Rudi, Sind Sie des Teufels? Lassen Sie das ja
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