Kavaliersdelikt-Liebe ist universell
Feuer, welches ihn beinahe erschreckte.
Das war er nicht gewöhnt. Henny war kein typisches Mädchen, keines, die leicht einzuschätzen war und gerade das mochte er an ihr. Mitunter war sie forsch wie ein Junge, was hervorragend zu ihrer ganzen Art passte.
Vielleicht war sie eines dieser Mädchen, die im Grunde gerne ein Junge wären?
Als er sie heute vor dem Kino hatte stehen sehen, hätte sie gut und gerne auch als Junge durchgehen können. Leandro fand das nicht schlimm. Immerhin war sie keine dieser zartbesaiteten Kichererbsen, die ihn umschwärmten und mit denen er nun wirklich nichts anfangen konnte.
Unruhig drehte er sich hin und her, konnte nicht recht einschlafen. Sein Date mit Henny lief wieder und wieder vor seinen Augen ab.
Es wäre sehr schön, wenn es zwischen ihnen bald noch mehr geben würde, dachte er sehnsüchtig. Wie es wohl sein würde, sie zu berühren, ihre Hände auf sich zu spüren, gegenseitig ihre Körper zu erkunden?
Sein Gesicht brannte und er presste es in die Matratze. Henny schien ihm durchaus schon erfahren zu sein. Es war ihm peinlich, dass sie, das Mädchen, viel sicherer war, als er.
Vielleicht hatte sie sogar schon vor ihm einen Freund gehabt? Vielleicht war sie sogar mit diesem … intim geworden? Er schluckte bei dem Gedanken und spürte schmerzende Stiche von Eifersucht in seinem Herzen wühlen. Was sie wohl dazu sagen würde, dass er außer Küssen noch gar keine entsprechenden Erfahrungen gemacht hatte? Würde sie ihn auslachen?
Nein, Henny bestimmt nicht. Dennoch verursachte der Gedanke an ihr zukünftiges erstes Mal ein zittriges Gefühl in seinem Magen. Auf gar keinen Fall wollte er sich dabei blamieren.
Oh verdammt, er sollte endlich aufhören zu grübeln. Morgen war ihr Bandauftritt und Henny hatte ihm versprochen zu kommen. Die anderen Jungs der Band würden erwarten, dass er voll da war. Es ging um viel und sie wollten unbedingt gewinnen.
Nichtsdestotrotz dauerte es lange, bis er Schlaf fand. Und erst, nachdem seine Hand seine Fantasien unterstützt hatte.
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„Nervös?“
Nils kaute an seinen Fingernägeln und nahm die Hand augenblicklich schuldbewusst herunter, als Leandro ihn ansah.
„Machst du dir etwa ins Hemd?“, kommentierte Maik, ihr Schlagzeuger, weniger taktvoll.
„Quatsch“, schoss Nils zurück, seine nervösen Handbewegungen straften ihn indes Lügen. Leandro lächelte ihm aufmunternd zu. Nils Nervosität legte sich erst, wenn er draußen vor dem Publikum stand.
„Wird schon. Wir haben es doch bei der letzten Probe klasse hinbekommen. Bei deiner rauchigen Stimme werden die Mädels ohnehin nur so dahinschmelzen.“ Carsten spielte zwei Akkorde auf seiner Gitarre, schmachtete Nils gespielt an und erklärte: „Ich will heute mindestens ein Groupie abschleppen, also gib dir Mühe.“
Nils schnaubte abfällig: „Wer ist auf die idiotische Idee gekommen, dass wir unbedingt ein Liebeslied vortragen sollen? Scheiße, dieser Wettbewerb ist doch voll der Mist. Wir sollten was von den fetzigeren Stücken nehmen, nicht so einen Schnulzenkram.“
„Zu spät. So ist der Wettbewerb nun mal ausgeschrieben worden und hey, wenn wir den gewinnen, können wir endlich eine richtig gute Demo aufnehmen und bei den großen Labels landen“, meinte Carsten. „Plattenvertrag, Nils. Plattenvertrag!“
„Ich war noch nie wirklich verliebt, ich verhaue das bestimmt. Scheiße!“, seufzte Nils verzweifelt. Leandro legte seinen Arm freundschaftlich um ihn und grinste, als Carsten wortlos seine Gitarre ablegte und eilig verschwand. Carstens Nervosität schlug ihm immer auf den Magen. Er musste vor jedem Auftritt dauernd auf Klo und sie wetteten mitunter sogar darauf, wann er das erste Mal von der Bühne flitzen musste. Allerdings war er immer voll da, wenn es drauf ankam.
Ihr Sänger Nils hingegen bekam jedes Mal vor einem Auftritt die Selbstzweifelkrise, auch das waren sie schon gewöhnt. Genügend Gefühl konnte er dennoch in ihre Songs legen, egal wie sehr er vorher daran zweifeln mochte.
„Wird schon“, murmelte Leandro. „Denk an die Schmetterlinge im Bauch, ein wildes Herzklopfen bis hoch in den Hals, das Gefühl, du könntest die Welt umarmen. An ein tolles Mädchen, das nur dich anhimmelt, ihre Augen, die dich ansehen, als ob es nur dich geben würde. Ihre weichen Lippen, die deinen Namen formen, ihre Hände, die dein Gesicht streicheln ...“
Leise seufzte er und blinzelte irritiert.
Scheiße, er war gerade etwas abgedriftet.
Nils
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