Kavaliersdelikt-Liebe ist universell
gewesen. An der Bushaltestelle hatte er ihn nicht mehr gefunden, also war Hendrik noch weiter gelaufen. Dabei hatte er das klären wollen. Aus irgendeinem Grund war es ihm immens wichtig gewesen, Hendrik nicht einfach gehen zu lassen. Wie dieser ihn angesehen hatte ...
Leandro kam ein erschreckender Gedanke: Hoffentlich tat Hendrik sich jetzt nichts an. Es gab schwule Jungs, die Selbstmord begingen. Er hatte davon mehr als einmal gehört.
Leandro wusste nichts weiter von ihm als seinen Vornamen, die Handynummer und wo er in etwa wohnte. Das war zu wenig, um nach ihm zu suchen. Warum hatte er ihn nicht nach seiner Festnetznummer gefragt?
Vorher …
Jetzt konnte er ihn ja kaum anrufen. Wie würde das denn aussehen?
Seufzend ließ sich Leandro an der Wand hinabgleiten und starrte an seine Zimmerdecke. Er Idiot machte sich Gedanken, wie er Hendrik finden konnte? Das war doch … abartig, verrückt, auf jeden Fall ... unnötig.
Der Schmerz der Enttäuschung brannte in ihm, bildete eine wirkungsvolle Einheit mit seinen tief verletzten Gefühlen und merkwürdiger Sehnsucht.
Es war wunderbar mit Hendrik gewesen, egal wie er es im Nachhinein betrachtete.
„Ich bin doch kein anderer Mensch als vorher.“ Hendriks Worte wanderten selbstständig durch seinen Kopf, egal wie oft er sie auf die dunklen Pfade des Vergessens schickte, sie kehrten hartnäckig zurück, belästigten ihn fortwährend.
Er fand wenig Schlaf in der Nacht.
***
Die nächsten Tage verbrachte Leandro in einem nur halb anwesenden Zustand. Nils hatte ihn natürlich sofort am Montag ausfragen wollen, da er jedoch sehr einsilbig und sogar unfreundlich reagiert hatte, hatte er es bald aufgegeben. Die einzige Information, die Leandro den anderen gegeben hatte, war, dass er Schluss gemacht hatte. Er hatte keine Gründe genannt und bis auf Nils wollte ihn wohl auch keiner der anderen danach fragen. Dieser war besonders anhänglich, und auch wenn Leandro schon klar war, dass er es nur gut meinte, ging er ihm auf die Nerven.
Er wollte alleine sein, nachdenken, seine komischen Gefühle in den Griff bekommen, die noch immer um Hendrik kreisten. Unablässig.
Sein blödes Herz sehnte sich nach wie vor nach ihm, seinem Lächeln, seinen Sprüchen, dem glücklichen Gefühl, mit ihm zusammen zu sein, reden zu können, gemeinsam etwas zu unternehmen, Händchen zu halten. Die Unruhe, wie es Hendrik ging, nagte an ihm, wechselte sich mit dem Unbehagen ab, ihm womöglich doch wiederzubegegnen. Allerdings konnte er sich nicht einfach überwinden, ihn anzurufen.
Der Donnerstag, der Tag ihrer Proben und damit auch einer möglichen Begegnung mit Hendrik, rückte unbarmherzig näher. Leandro hatte ernsthaft überlegt, abzusagen, eine Magengeschichte vorzutäuschen, nur um ihn nicht sehen zu müssen.
Die anderen Bandmitglieder waren nach ihrem Erfolg natürlich euphorisch und wild darauf zu üben, um die Demoaufnahmen perfekt hinzubekommen. Sie sprachen von kaum etwas anderem, als der Auswahl der Songs, wie sie sie spielen wollten, welche Variationen sie ausprobieren sollten und er wollte sie auf keinen Fall im Stich lassen.
Die Musik half ihm, lenkte ihn ab und für die zwei Stunden ihrer Proben konnte er ein paar dunkelgrüne Augen wirklich vergessen.
Bis er beim Verlassen des Raumes direkt in selbige blickte. Hendrik stand vor dem Eingang und wartete auf ihn.
Abrupt stoppte Leandro ab, erntete einen überraschten Blick von Nils, der prompt gegen ihn gelaufen war. Wild begann Leandros Herz zu klopfen und seine Wangen brannten.
„Ich komme gleich nach“, meinte er hastig zu den anderen, die ihn und den fremden Jungen verblüfft ansahen.
„Beeile dich, der Bus fährt bald“, warf ihm Carsten noch zu, musterte Hendrik, der sofort den Kopf senkte, mit einem neugierigen Blick.
Leandro holte tief Luft und wandte sich Hendrik zu.
„Was willst du?“, schnauzte er ihn unfreundlich an, bemüht seine Unsicherheit zu überspielen. Damit, dass der andere Junge hier auf ihn warten würde, hatte er definitiv nicht gerechnet. Im Grunde hatte er gehofft, sie würden sich einfach aus dem Weg gehen und so tun, als ob nie etwas gewesen wäre. Wollte der ihm jetzt hier eine Szene machen, oder was?
Hendrik schluckte und holte ebenfalls tief Luft.
Er sah nicht gut aus. Sein Gesicht war blass, seine grünen Augen wirkten matt. Seine Haare waren überraschend unordentlich. Mit gesenkten Schultern stand er vor ihm und sah ihn unsicher an.
Leandro schüttelte ungläubig den
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