Kavaliersdelikt-Liebe ist universell
an.
Leandro blinzelte und begriff, dass er irgendwie aus der Fachschule und zur Bushaltestelle gekommen war. Von Carsten und Maik war nichts mehr zu sehen, deren Bus war offenbar schon weg. Nils hingegen hatte auf ihn gewartet. Und vermutlich deswegen seinen Bus verpasst.
„Bist du wegen mir noch da?“, fragte Leandro betreten nach. Nils nickte und zuckte mit den Schultern.
„Ich fahre einfach mit dir und warte dort auf den nächsten nach Hause. Peer ist heute auch noch bei einem Freund. Meine Mutter wartet also nicht mit dem Essen.“
Stumm nickte Leandro.
„Wer war denn das?“, wollte Nils jedoch wissen. „Kannte ich den?“
„Nein, kennst du nicht“, antwortete Leandro abweisend. Hendriks Augen verfolgten ihn. Diese silbrige Spur, die sein Daumen unbedingt hatte fortwischen wollen. Fest presste er die Lider zusammen und öffnete sie erneut.
Es half nichts, das Bild wollte sich nicht derart einfach vertreiben lassen.
„Ich dachte ja erst, das wäre ein Mädchen“, fuhr Nils unbeirrt fort. „So wegen der langen Haare und der schmalen Figur.“ Er lachte auf, brach jedoch sofort ab, als ihn Leandro direkt ansah.
„Ich auch“, flüsterte dieser traurig, konnte die Worte nicht zurückhalten. „Oh Mann, ich ja auch.“
Nils starrte ihn an, runzelte fragend die Stirn. Ganz offensichtlich begriff er jedoch verdammt schnell, weswegen Leandro so geknickt war.
„Scheiße, nein!“, begann er fassungslos. „Das war nicht die … Tussi, mit der du rumgemacht hast? Das Mädchen, in das du dich verguckt hast? Ein … Kerl? Die ist ein Junge? Wie krass ist das denn?“
Leandro antwortete nicht, starrte nur stur auf den Fußboden.
„Ich raffe es nicht“, schnaubte Nils. „Scheiße Mann, wie konnte dir denn das passieren?“
„Ich … weiß es nicht“, gab Leandro wahrheitsgemäß zu. „Sie … er war toll. Wir hatten voll den Spaß zusammen und ich …
Mann, ich habe mich absolut in ihn verknallt. Verdammt, in einen Jungen.“
Stöhnend verbarg er sein Gesicht in den Händen.
„Und der ist … schwul?“, vermutete Nils folgerichtig. Leandro nickte zustimmend.
„Aber du doch nicht, oder?“, fuhr Nils überrascht fort.
„Nein, natürlich nicht“, antwortete Leandro sofort. „Sehe ich etwa so aus?“
Grinsend legte ihm Nils seinen Arm um die Schultern.
„Glaub mir, Alter, am Aussehen erkennt man es nicht. Peer ist sogar absolut stockschwul und dennoch baggern ihn dauernd Mädchen an, weil er eben gut aussieht. Er findet das sogar cool.“
„Na toll, das süße Mädchen, was ich angebaggert habe, ist in echt ein schwuler Junge. Große Klasse. Wenn das jemand spitzkriegt, bin ich voll die Lachnummer“, stöhnte Leandro, obwohl es nicht das Problem war, was ihn gerade am meisten beschäftigte.
„Ich verrate es ganz bestimmt keinem“, erklärte Nils sofort und betrachtete seinen verzweifelten Freund nachdenklich grinsend. „Wird wohl Zeit, dass du mal ernsthaft was mit einem Mädchen anfängst, wenn du dich schon derartig vertust.“
Leandro schnaubte ärgerlich: „Ich glaube, ich lasse es in Zukunft einfach sein. Noch so eine Pleite will ich ganz bestimmt nicht erleben.“
Der Bus kam angefahren und er erhob sich seufzend. Nils lächelte mitfühlend, hatte jedoch genug Anstand, ihn nicht deswegen aufzuziehen.
Auf der Fahrt und auch danach erwähnte er das Thema nicht wieder.
Nils war echt ein toller Freund.
Was Leandro ihm nichtsdestotrotz gewiss nicht verraten würde, weil es ihm selbst verdammt peinlich war: Hendriks Gesicht und seine Augen wollten ihm partout nicht mehr aus dem Kopf gehen.
Ob ein anderes Mädchen derart toll küssen konnte, wie … Hendrik?
8 Beste Schwester
Hendriks Augen brannten.
Normalerweise war er keine solche Heulsuse. Vielleicht etwas emotionaler als andere, knallharte Jungs. Aber er hatte definitiv noch nie so viel geweint wie in den letzten Tagen.
Jeden Morgen hatte er sich aus dem Bett und zur Schule gequält. Teilnahmslos hatte er dort seine Stunden abgesessen. Nur etwas gesagt, wenn er direkt angesprochen worden war, und in den Pausen hatte er sich regelrecht vor seinen Mitschülern und Freunden versteckt.
Jens, sein bester Freund hatte zwei Tage lang versucht, herauszufinden, was mit ihm los war, ließ ihn, nachdem ihn Hendrik mit den rüden Worten: „Verstehst du nicht. Geht um einen anderen Kerl“, abgespeist hatte, jedoch in Ruhe.
Sah man mal von den Mails ab, die er ihm jeden Tag schickte. Hendrik hatte keine davon
Weitere Kostenlose Bücher