Kavaliersdelikt-Liebe ist universell
Leandros Mutter diesen aus seinen Gedanken. Auf seinem Teller lag noch immer ein angebissenes Brötchen. Er hatte keinen rechten Appetit, trotzdem lächelte er ihr zu und zwang sich den Rest hinunter.
Nachmittags, während der Fahrt zur Fachschule, wurde er immer nervöser.
Was, wenn Peer: „Nein“ sagen würde? Was, wenn Hendrik überhaupt nicht sein Typ war?
Vielleicht kannte Peer wenigstens einen anderen schwulen Jungen, der passen könnte. Zumindest eher er als Leandro.
Carsten und Maik begrüßten ihn gleich am Eingang und Juliane entdeckte ihn kurz darauf im Foyer. Er stellte sie höflich seinen Eltern vor, die, wie zu erwarten, recht angetan waren. Mit ihr im Arm hielt er Ausschau nach Nils. Und Peer.
Heimlich suchte er die Gesichter ringsum auch nach Hendrik ab.
Ob er vielleicht doch nicht kommen würde? Was sollte er dann tun?
Unsicher sah er sich um.
Die Bilder des Acrylmalkurses waren an der Wand ausgestellt worden und Leandro zog Juliane sogleich zu dem Bild des nackten, schlafenden Mannes.
Es war Hendrik erstklassig gelungen, stach deutlich vom Rest der anderen Arbeiten ab, fand Leandro. Nicht wirklich verwunderlich, dass ein schwuler Junge als Motiv einen Männerkörper wählte. Leandro schüttelte innerlich den Kopf. Er war ja schon zuvor stutzig geworden.
Ob Hendrik einen seiner vorigen Freunde als Vorbild genommen hatte? Nein, der Mann auf dem Bild war deutlich zu alt. Wie viele Freunde er wohl vorher schon gehabt hatte?
Leandro biss sich in die Unterlippe. Hendrik hatte eindeutig mehr Erfahrung gehabt, erinnerte er sich. Hatte er nicht von zwei Freunden gesprochen? Ob er womöglich schon richtig schwulen Sex ...
„Krass. Sieht fast wie ein Foto aus“, kommentierte Juliane neben ihm und wandte sich schon dem nächsten Bild zu, zog ihn einfach mit sich.
Verdammt, er sollte nicht ständig an Hendrik denken. Dessen schwules Liebesleben ging ihn schließlich nichts an.
„Da ist Nils“, erklärte Leandro bald darauf, entzog sich hastig Julianes Griff und fragte: „Du kommst klar? Wir kümmern uns dann nämlich um unseren Auftritt.“ Sie verzog ihren Mund missmutig, nickte ihm jedoch zu.
„Bis später dann“, versprach er und hastete zu Nils und dessen Bruder.
„Hallo ihr“, begrüßte er sie, musterte Peer eingehender.
Ja, der sah wirklich gut aus. Er war relativ groß, mit breiten Schultern und kurzgeschnittenen, dunkelblonden Haaren. Seine graugrünen Augen wirkten fröhlich verschmitzt und er begrüßte Leandro lächelnd. Rasch warf dieser Nils einen fragenden Blick zu, der kaum merklich den Kopf schüttelte. Nein, offenbar hatte er ihm noch nichts verraten. Gut so.
Leandros Herz klopfte stärker, sein Magen fühlte sich plötzlich seltsam flau an. So hatte er sich vor ihren allerersten Bandauftritten gefühlt. Aber das war lange her. Mittlerweile war er darin recht routiniert geworden. Nur heute nicht.
„Klasse, dass du mitgekommen bist“, begrüßte er Peer betont freundlich.
„Hey, so oft bekomme ich meinen kleinen Bruder ja nicht mehr gratis zu hören“, scherzte Peer und legte seinen Arm um diesen. „Der singt ja nur noch vor großem Publikum und irgendwann gehört er zu den hochbezahlten Weltstars, wie ihr alle.“ Grinsend nickte er den anderen Bandmitgliedern zu. Nils lächelte verlegen.
„Los, kommt, lasst uns anfangen“, drängelte Maik, winkte Marita zu und zog Carsten mit sich, dessen Gesichtsfarbton sich dem typischen Blassgrün annäherte, welches sie von ihm vor den Auftritten schon kannten.
„Carsti, wenn du noch einmal kotzen musst, beeile dich wenigstens damit“, raunte ihm Maik daher auch zu, erntete prompt ein breites Grinsen von den anderen.
„Geht schon“, quetschte Carsten zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Es ging immer. Es war ein Teil ihres Rituals.
Ihr Auftritt verlief ohne größere Probleme. Nils verhaspelte sich einmal im Text, was vermutlich nur ihnen selbst auffiel und Carsten stolperte über ein Kabel und wäre beinahe gefallen, fing sich jedoch rechtzeitig wieder.
Während sie den Applaus entgegennahmen, entdeckte Leandro tatsächlich Hendrik, der verloren an eine Säule gelehnt bei den Töpferarbeiten stand.
Ihre Blicke trafen sich, doch Leandro verbeugte sich rasch und brach damit den Blickkontakt ab.
Scheiße, nur ein Blick aus Hendriks Augen reichte aus, um ihm den Magen umzudrehen. Sein Herz pochte plötzlich derart schnell, dass er regelrecht zitterte. Zu dem Schweiß auf seiner Stirn gesellte sich ein
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