Kay Scarpetta 16: Scarpetta
früheren Leben muss er einen Garten mit echtem Gras und einem weißen Lattenzaun gehabt haben. Er heißt Jet Ranger, nach dem ersten Helikopter, den ich je hatte. Jet Ranger, darf ich dir Jaime vorstellen? Er kann keine Kunststücke wie Pfötchengeben oder Männchenmachen, sondern ist eher einfach gestrickt, richtig, mein Kleiner?«
Berger ging in die Hocke, um Jet Ranger am Hals zu kraulen, ohne sich darum zu kümmern, dass ihr langer Nerzmantel dabei den schmutzigen Bürgersteig streifte und sie anderen Passanten den Weg versperrte. Die Leute umrundeten sie, während sie den Hund auf den Scheitel küsste und er ihr Kinn leckte.
»Ich bin beeindruckt«, sagte Lucy. »Die meisten Menschen mag er nämlich nicht. Muss daher kommen, dass er bei einem Arschloch gelebt hat. Damit meine ich nicht mich, sondern seinen Vorbesitzer. Tut mir leid«, wandte sie sich an den Hund, tätschelte ihn und berührte dabei Bergers Schulter. »Ich sollte dein unschönes Privatleben nicht öffentlich erörtern und das Wort Besitzer nicht verwenden. Das war unhöflich von mir. Ich besitze ihn nämlich nicht«, sagte sie zu Berger. »In Wahrheit muss ich ihm eine Stange Geld dafür bezahlen, dass ich ihn füttern, streicheln, Gassi führen und mit ihm in einem Bett schlafen darf.«
»Wie alt?«, erkundigte sich Berger.
»Ich weiß nicht genau.« Lucy streichelte Jet Rangers getupfte Ohren. »Kurz nachdem ich hierher gezogen war, kam ich gerade aus Boston und fuhr vom Hubschrauberlandeplatz an der West Thirtieth nach Hause. Da sah ich ihn am West Side Highway entlang trotten. Du kennst doch sicher den ängstlichen Blick eines Hundes, der sich verlaufen hat. Außerdem hat er gehinkt.«
Lucy hielt Jet Ranger die Ohren zu, damit er das Gespräch nicht belauschen konnte.
»Kein Halsband«, fügte sie hinzu. »Offenbar war er aus einem Auto geworfen worden, vermutlich weil er alt ist, einen Hüftschaden hat und fast nichts mehr sieht. Also kein knuddeliges Spielzeug. Normalerweise werden sie höchstens zehn Jahre alt. Wahrscheinlich ist er nah dran.«
»Die Menschen können so gemein sein«, erwiderte Berger und stand auf.
»Komm«, wandte Lucy sich an ihren Hund. »Lass dich von Jaimes Mantel nicht erschrecken. Ich bin sicher, dass jeder dieser armen kleinen Nerze eines natürlichen Todes gestorben ist.«
»Wir sollten die Passwörter bald haben«, verkündete Berger. »Dann haben wir vielleicht auch eine Erklärung für den Rest.«
»Ich weiß nicht, was der Rest sein soll, da ich ja den Anfang kaum kenne. Wir haben eben erst begonnen«, entgegnete Lucy. »Allerdings reicht mein bisheriger Wissensstand, dass ich mir große Sorgen um meine Tante mache. Ich bin wirklich sehr beunruhigt.«
»Das habe ich dir schon am Telefon angehört.«
Lucy steckte einen interaktiven Schlüssel in den Zylinder des computergesteuerten Mul-T-Türschlosses. Die Alarmanlage piepste, als sie die Tür öffnete. Nachdem sie einen Code in ein Tastenfeld eingegeben hatte, verstummte das Geräusch. Lucy schloss die Tür hinter ihnen.
»Wenn du siehst, wovon ich rede, wirst du mich zuerst rausschmeißen wollen«, fuhr Lucy fort. »Aber dann wirst du es dir anders überlegen.«
Shrew hielt sich zwar für eine erstklassige Website-Administratorin, aber sie war weder Programmiererin noch Expertin für Computertechnik.
Also saß sie an ihrem Computer und sah hilflos zu, wie die Website von Gotham Gotcha immer wieder dieselbe wahnwitzige Endlosschleife abspielte, während ein Techniker von der Provider- Hotline am Telefon erklärte, das Problem liege in einer Datenüberfrachtung. Seiner Ansicht nach habe die Anzahl der Nutzer, die eine bestimmte Information auf der Website abrufen wollten, die enorme Speicherkapazität des Servers überfordert. Im Moment sei die Sache völlig aus dem Ruder gelaufen, denn Millionen von Menschen pro Minute klickten dasselbe Foto im Darkroom an. Und dies könne nach Auffassung des Technikers nur eines bedeuten. »Ein Wurm«, verkündete er. »Also ein Virus. Allerdings habe ich so etwas noch nie gesehen. Ein regelrechter Mutant.«
»Wie ist der Mutant oder das Virus denn in das Programm der Website hineingekommen? «, fragte Shrew.
»Vermutlich hat ein Nutzer ohne Zugangsprivileg auf irgendeine Weise einen Zufallscode eingeschleust und die Tatsache ausgenutzt, dass der Web-Server durch Überlastung verwundbar ist. Jedenfalls muss sich derjenige in der Materie auskennen.«
Er fuhr
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