Kay Scarpetta 16: Scarpetta
fort, die übliche Methode sei, E-Mails mit einem Anhang zu verschicken, der das Virus enthalte. Dieses werde von handelsüblichen Anti-Viren-Programmen nicht erkannt und gebe sich als eine Vielzahl von Nutzern aus, die alle eine Datei öffneten, welche viel Speicherplatz benötige. »Ein Foto zum Beispiel«, meinte er und fügte hinzu, dieses sich selbst vermehrende Virus simuliere eine Situation, als wollten Millionen von Menschen gleichzeitig dieselbe Datei öffnen. Daraufhin gehe dem Server der Speicherplatz aus, und es mache außerdem den Eindruck, als ob dieser spezielle Wurm auch noch böswillig Daten vernichtete. Sie habe es folglich mit einer ungewöhnlichen Mutation eines Wurms, einem sogenannten Makro- Virus, zu tun. Vermutlich auch noch mit einem Trojaner, der das Virus auf andere Programme übertragen könne, was der Techniker befürchtete.
Er betonte mehrmals, der Saboteur verstehe etwas von seinem Geschäft. Es klang fast, als beneidete der Techniker insgeheim diesen Menschen, der klug genug gewesen war, um einen solchen Schaden anzurichten.
Shrew spielte die Ahnungslose und fragte, welches Foto denn der Übeltäter sei. Der Techniker erwiderte, das Virus sei eindeutig mit der Aufnahme von Marilyn Monroe eingeschleust worden. Während er ihr die von dem mutierten Wurm angerichtete Zerstörung weiter erläuterte, kam Shrew zu dem Schluss, dass es sich um eine Verschwörung handeln musste. Die Leute, die vor fast einem halben Jahrhundert Marilyn Monroe umgebracht hatten, hatten immer noch ein Interesse daran, der Öffentlichkeit die Wahrheit vorzuenthalten.
Gewiss steckte die Regierung dahinter, was ein Hinweis auf politische Zusammenhänge und Verbindungen zum organisierten Verbrechen war. Ob es damals auch schon Terroristen gegeben hatte?, überlegte sie. Vielleicht hatten diese Leute gewisse Verbindungen und beobachteten Shrew nun. Und das alles nur, weil sie so leichtsinnig gewesen war, eine Stelle anzunehmen, ohne sich richtig darüber zu informieren, und nun für unbekannte Personen arbeitete, die womöglich kriminelle Absichten verfolgten.
Vielleicht war ja sogar der Techniker am Telefon ein Verbrecher, ein Terrorist oder ein Agent der Regierung. Womöglich wollte er ihr mit seiner Erklärung, das Foto von Marilyn Monroe habe das Virus eingeschleust, nur Sand in die Augen streuen, damit sie nicht dahinter kam, was wirklich gespielt wurde: Die Website hatte sich selbst zerstört, wie die Kassettenrecorder in Mission Impossible, weil Shrew, ohne es zu wissen, in eine gewaltige Verschwörung gegen eine Weltmacht oder das Reich des Bösen hineingeraten war.
Sie war völlig durcheinander und wurde von Angst ergriffen.
»Hoffentlich ist Ihnen klar«, meinte sie zu dem angeblichen Techniker, »dass ich keine Ahnung habe, was los ist. Ich möchte nichts damit zu tun haben und wollte es auch nie. Weil ich nämlich nichts weiß. Wirklich nicht.«
»Die Sache ist kompliziert«, erwiderte er. »Sogar für uns. Wie ich Ihnen schon erklärt habe, hat der Übeltäter einen sehr schwierigen Code geschrieben. Anders kann es nicht sein. Mit Code meine ich ein Computerprogramm, das in etwas vermeintlich Harmloses wie eine Datei oder einen Anhang eingebettet ist.«
Es war Shrew herzlich gleichgültig, was er damit meinte. Es war ihr auch egal, dass sich der mutierte Wurm nicht aufhalten ließ und alle Versuche, das Programm zu schließen und wieder hochzufahren, gescheitert waren. Ihre Gedanken schweiften ab, als der Techniker vorschlug, eine archivierte frühere Version von Gotham Gotcha herunterzuladen. Allerdings habe der einzige andere verfügbare Server nur wenig Speicherplatz und sei viel langsamer, was zu einem erneuten Absturz führen könne. Vielleicht würden sie einen neuen Server kaufen müssen, doch das brauche Zeit. Er müsse das mit der Zentrale abklären, und da es in England fünf Stunden später sei als hier, würde er jetzt dort niemanden mehr erreichen.
Außerdem wies er Shrew darauf hin, dass sie bei Verwendung einer früheren Version der Website sämtliche aktuellen Informationen wieder ins Netz würde stellen müssen. Die Fans müssten aufgefordert werden, ihre E-Mails und Fotos noch einmal abzuschicken. Das würde für Shrew tagelange oder sogar wochenlange Arbeit bedeuten. Die Öffentlichkeit würde verärgert sein. Und da die neuen Mitglieder in der älteren Version der Datenbank nicht verzeichnet waren, würden sie sicherlich verschnupft reagieren. Es war
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