Kay Scarpetta 16: Scarpetta
Oder hat ein anderer die Mails gelöscht und die Laptops im Schrank versteckt?«
»Falls Terri die Mails gelöscht hat, weil sie befürchtete, jemand könnte sie lesen, hätte sie den verdammten Papierkorb leeren sollen«, meinte Lucy. »Jeder Idiot weiß, dass man gelöschte Dateien wieder aus dem Papierkorb holen kann, vor allem, wenn es noch nicht lange her ist.«
»Eines steht jedenfalls fest«, sagte Scarpetta. »Ganz gleich, warum sie oder ein anderer die Mails gelöscht hat - Terri Bridges hat ganz sicher nicht damit gerechnet, noch am selben Abend ermordet zu werden.«
»Nein«, räumte Lucy ein. »Das hat sie wahrscheinlich nicht. Außer sie hatte vor, sich umzubringen.«
»Um dann anschließend die Würgefessel von ihrem eigenen Hals zu entfernen? Ganz bestimmt nicht«, widersprach Marino, als hätte er Lucys Bemerkung ernst genommen. »Man musste keine Würgefessel entfernen«, wandte Scarpetta ein. »Sie wurde mit einer Garotte erdrosselt, nicht mit etwas, das fest um ihren Hals geschnürt wurde.«
»Ich muss rauskriegen, wer Scarpetta612 ist und was für ein Foto diese Person angeblich verschickt hat«, sagte Lucy. »Hier sind nämlich keine Fotos. Im Papierkorb befindet sich keine einzige JPEG- Datei. Es könnte natürlich sein, dass sie sie vor den anderen Mails gelöscht und den Papierkorb geleert hat.«
»Und das heißt?«, hakte Berger nach.
»Dass wir versuchen müssen, sie wiederherzustellen, wie wir es bei den Textdateien auf dem anderen Laptop gemacht haben«, erwiderte Lucy. »Also mit derselben Methode, die du vorhin bei mir gesehen hast.«
»Gibt es für das Foto noch eine andere Erklärung?«, fragte Scarpetta.
»Wenn sie - vorausgesetzt, wir reden über Terri - den E-Mail-Anhang mit einem anderen Gerät, zum Beispiel einem BlackBerry oder einem dritten Computer, aufgerufen hat, würde er sich nicht auf ihrem Internet-Computer befinden.«
»Genau das versuche ich dir ja schon die ganze Zeit klarzumachen«, entgegnete Scarpetta. »In ihrem Büro befindet sich ein Kabel, das mit keinem der beiden Laptops kompatibel ist. Also muss es irgendwo noch einen Computer geben.«
»Wir sollten uns in Oscars Wohnung umschauen«, schlug Marino vor. »Hat Morales den Schlüssel noch?«
»Ja«, antwortete Berger. »Hat er. Allerdings könnte Oscar zu Hause sein. Wir wissen nicht, wo er steckt.«
»Ich denke nicht, dass er zu Hause ist«, meinte Benton. »Du hast doch gerade mit Morales gesprochen. Was wollte er denn? «, wandte sich Berger an ihn.
»Er hat den Verdacht, dass Oscar mit seiner Verhaftung rechnet. Einer der Wachleute hat ihm erzählt, Oscar habe sich gar nicht wohlgefühlt, nachdem Kay gegangen war. Laut Morales - allerdings sollte man bedenken, aus welcher Quelle das stammt - glaubt Oscar, dass Kay ihn verraten, belogen und erniedrigt hat. Angeblich sei er froh gewesen, dass Terri nicht mit ansehen musste, wie grob Kay bei der Untersuchung mit ihm umgesprungen ist. Sie habe Oscar mit Chemikalien traktiert und ihm große Schmerzen zugefügt.«
»Ich soll ihn misshandelt haben?«, wunderte sich Scarpetta.
Die vier unterhielten sich, als hätten sie Lucy am Telefon ganz vergessen. Diese durchsuchte weiter die gelöschten E-Mails.
»So hat Morales es ausgedrückt«, erwiderte Benton.
»Ich habe ihn ganz und gar nicht misshandelt. Wer immer dieser Morales auch sein mag, muss er doch verdammt noch mal wissen, dass ich über die Vorgänge in diesem Raum nicht sprechen darf«, wandte sich Scarpetta an Benton. »Gegen Oscar liegt, wie ihm bekannt ist, kein Haftbefehl vor. Also kann ich mich nicht verteidigen, wenn der Kerl solche Gerüchte in die Welt setzt.«
»Ich glaube auch nicht, dass Oscar das behauptet hat«, erwiderte Benton. »Ihm ist klar, dass du an die Schweigepflicht gebunden ist. Wenn er dir also wirklich nicht traut, muss er davon ausgehen, dass du dich rechtfertigen wirst, falls er Lügen über dich verbreitet. Er würde erwarten, dass du gegen die Schweigepflicht verstößt, weil du keine Moral besitzt. Außerdem werde ich mir diesen Wachmann höchstpersönlich vorknöpfen.«
»Ganz richtig«, stimmte Berger zu. »Morales muss das alles frei erfunden haben.«
»Für ihn gibt es nichts Schöneres, als Unfrieden zu stiften«,
merkte Marino an.
»Ich soll dir von ihm etwas ausrichten«, sagte Benton. »Das kann ich mir denken«, entgegnete Marino.
»Es geht um die Zeugin von gegenüber, die du heute befragt
Weitere Kostenlose Bücher