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Kay Scarpetta 16: Scarpetta

Titel: Kay Scarpetta 16: Scarpetta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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großer Wucht geschlagen worden, und zwar zum selben Zeitpunkt, als er sich auch die übrigen Verletzungen zugezogen hatte.
      Als sie die Blutergüsse aus der Nähe fotografierte, war ihr bewusst, dass es ein Leichtes für ihn gewesen wäre, sie mit dem Unterarm zu erwürgen. Sie hätte keine Gelegenheit gehabt zu schreien. In wenigen Minuten wäre sie tot gewesen.
      Sie spürte seine Körperwärme, und sein Geruch stieg ihr in die Nase. Die Luft zwischen ihnen wurde wieder kühl, als sie zurückwich, um sich am Tisch Notizen zu machen und seine Verletzungen zu dokumentieren. Währenddessen beobachtete er ihren Rücken. Sie konnte seine verschiedenfarbigen Augen spüren, nur dass sie jetzt nicht warm waren, sondern sich wie kalte Wassertropfen anfühlten. Seine Bewunderung und Heldenverehrung ihr gegenüber ließen allmählich nach. Bei CNN war sie ihm überlebensgroß erschienen. Nun hatte sie sich als ganz normale Frau entpuppt, als ein gewöhnlicher Mensch, der ihn enttäuschte und verriet. Das geschah fast ausnahmslos, wenn man jemanden vergötterte, da es dabei eher um die eigene Person als um den Angebeteten ging.
      »In den letzten tausend Jahren hat sich nichts zum Positiven verändert«, sagte Oscar zu Scarpettas Rücken. »Die Kriege, die Hässlichkeit, die Lügen und der Hass. Der Mensch ist, wie er ist.«
      »Warum haben Sie sich für die Psychologie entschieden, wenn Sie so denken?«, fragte sie.
      »Wenn man herausfinden will, woher das Böse kommt, muss man ihm folgen«, erwiderte er. »Führt es einen zu einer Stichverletzung? Zum abgetrennten Kopf eines Anhalters? Zu Diskriminierung? Welcher Teil des Gehirns ist primitiv geblieben, und das in einer Welt, in der Gewalt, Aggression und Hass dem Überleben eher hinderlich sind? Warum können wir diesen Teil unserer Gene nicht beseitigen, so wie wir die Gene von Mäusen manipulieren? Ich weiß, was Ihr Mann von Beruf ist.«
      Er sprach schnell, und sein Tonfall war hart. Scarpetta nahm eine Silikonpistole und eine Nachfüllpatrone Polyvinylsiloxan aus ihrem Tatortkoffer.
      »Er betreibt Forschungen auf diesem Gebiet, und zwar im McLean Hospital, das Harvard angegliedert ist. Er verwendet MRI. Funktionelle Magnetresonanz-Tomographie. Sind wir der Lösung schon einen Schritt näher gekommen? Oder werden wir einander weiter quälen, martern, vergewaltigen und töten und Kriege und Völkermorde anzetteln, weil wir finden, dass einige Menschen es nicht verdient haben, wie solche behandelt zu werden?«
      Scarpetta ließ die Patrone einrasten, entfernte die rosafarbene Verschlusskappe und drückte die weißliche Paste auf ein Papierhandtuch, bis ein regelmäßiger Fluss entstand. Nachdem sie die Mischdüse aufgesetzt hatte, kehrte sie zum Tisch zurück und erklärte, sie werde seine Fingerspitzen und seine Verletzungen nun mit einer Mischung auf Silikonbasis behandeln.
      »Damit lassen sich ausgezeichnete elastische Abdrücke von rauen und glatten Oberflächen abnehmen, wie zum Beispiel Ihren Fingernägeln oder Ihren Fingerkuppen«, erläuterte sie. »Die Methode hat keine Nebenwirkungen und löst auch keine Hautreaktionen aus. Da die Kratzer und Fingernagelspuren bereits verkrustet sind, dürfte es nicht weh tun. Doch wenn Sie wollen, dass ich aufhöre, müssen Sie es nur sagen. Ich brauche noch einmal die Bestätigung, dass Sie damit einverstanden sind.«
    »Ja«, erwiderte er.
      Er erstarrte, als sie, vorsichtig wegen des verletzten Daumens, seine Hände berührte.
      »Zuerst werde ich Ihre Finger und Ihre Verletzungen mit siebzigprozentigem Alkohol abtupfen«, sagte sie. »Damit Ihre Körpersekrete das Ergebnis nicht verfälschen. Es tut nicht weh. Vielleicht brennt es ein bisschen. Wenn ich aufhören soll, sagen Sie mir Bescheid.«
      Schweigend beobachtete er, wie sie seine Hände Finger für Finger reinigte.
      »Ich wundere mich, dass Sie mit Dr. Wesleys Forschungsprojekt am McLean Hospital vertraut sind«, meinte sie. »Er hat doch noch nichts veröffentlicht. Allerdings dauert die Suche nach Probanden schon eine Zeitlang an, und es hat eine große Werbekampagne stattgefunden. Ist das der Grund?«
      »Es spielt keine Rolle«, antwortete Oscar und betrachtete seine Hände. »Nichts ändert sich. Auch wenn die Menschen wüssten, warum sie voller Hass sind, würde sich nichts ändern. Gefühle bleiben immer gleich. Dagegen ist alle Wissenschaft der Welt machtlos.«
      »Ich bin da anderer Ansicht«, widersprach sie.

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