Kay Scarpetta 16: Scarpetta
immer sauber sein. Früher hatte ich lange Haare, aber sie wollte, dass ich sie abschnitt, weil sie kurz leichter sauber zu halten seien. Ihrer Ansicht nach sammeln sich in Haaren Schmutz und Bakterien an. Ich habe mitgemacht, aber darauf bestanden, meine Körperbehaarung an einer Stelle zu behalten. Da unten kommt mir keiner ran.«
»Wo haben Sie Ihr Haar entfernen lassen?«
»Bei einer Hautärztin in der East Seventy-ninth. Mit dem Laser und mit anderen, schmerzhaften Methoden, was ich hier nicht weiter ausführen will.«
»Was war mit Terri? Ging sie zu derselben Hautärztin?« »Sie hat sie mir sogar empfohlen. Dr. Elizabeth Stuart. Sie hat eine große Praxis und ist sehr angesehen. Terri ist schon seit Jahren ihre Patientin.«
Scarpetta notierte sich Dr. Stuarts Namen und erkundigte sich nach anderen Ärzten und Heilpraktikern, die Terri möglicherweise aufgesucht hatte. Oscar erwiderte, er wisse es nicht oder könne sich nicht erinnern. Allerdings könne man diese Informationen sicher in Terris Wohnung finden.
»Sie warf nie etwas weg, was wichtig sein könnte, aber alles musste an seinem Platz liegen. Wenn ich mein Hemd auf einen Stuhl legte, hängte sie es auf. Ich hatte noch kaum aufgegessen, da stand der Teller schon in der Spülmaschine. Sie hasste Unordnung. Ihre Handtasche, ihr Regenmantel, ihre Winterstiefel, ganz gleich, was es auch war, alles musste sofort weggeräumt werden, auch wenn sie es fünf Minuten später wieder benutzen wollte. Mir ist klar, dass das nicht normal ist.«
»Hatte sie auch kurzes Haar wie Sie?« »Ich vergesse immer, dass Sie sie gar nicht kennen.« »Es tut mir leid, aber es ist so.«
»Sie trägt ihr Haar nicht kurz, hält es aber sehr sauber.
Wenn sie das Haus verlassen hatte, ging sie beim Nachhausekommen sofort unter die Dusche und wusch sich die Haare. Sie badete nie, weil man dabei in seinem eigenen Schmutzwasser sitzt. Das waren ihre Worte. Jedes Handtuch wanderte nach einmaliger Benutzung in die Wäsche. Ich weiß, dass dieses Verhalten merkwürdig ist. Ich habe ihr vorgeschlagen, mit jemandem über ihre Ängste zu sprechen, und ihr gesagt, sie habe eine Zwangsstörung, zwar keine schwere, weise aber einige Symptome auf. Sie hat sich nicht hundertmal am Tag die Hände gewaschen, aufgepasst, nicht auf die Ritzen im Gehweg zu treten, oder Essen vom Imbiss verweigert. So schlimm war es nicht.«
»Wie war es beim Sex? Haben Sie auch dabei auf Reinlichkeit geachtet?«
»Sie verlangte nur, dass ich sauber war. Anschließend haben wir geduscht, einander die Haare gewaschen und normalerweise noch einmal Sex in der Dusche gehabt. Sie mag Sex in der Dusche. Sie nennt das sauberen Sex. Ich hätte sie gern öfter als einmal in der Woche gesehen. Aber sie wollte nicht. Einmal in der Woche. Immer am selben Tag um genau dieselbe Uhrzeit. Vermutlich, weil sie so organisiert ist. Samstags um fünf. Wir aßen etwas und liebten uns dann. Manchmal haben wir uns auch sofort geliebt, nachdem ich durch die Tür war. Ich habe nie dort übernachtet. Sie wacht lieber allein auf und fängt an zu arbeiten. Meine DNA ist überall in ihrer Wohnung.« »Aber gestern Abend haben Sie nicht mit ihr geschlafen?« »Das haben Sie mich schon mal gefragt.«
Als er die Fäuste ballte, traten an seinen muskulösen Armen die Venen hervor.
»Wie denn?«
»Ich möchte mich nur vergewissern. Sie verstehen doch, warum ich das fragen muss.«
»Ich verwende stets Kondome. Sie liegen in der Schublade neben dem Bett. Mein Speichel könnte an ihr sein.« »Warum?«
»Weil ich sie in den Arm genommen habe. Ich habe es mit Mund-zu-Mund-Beatmung versucht. Als mir klar wurde, dass sie tot war, habe ich ihr Gesicht geküsst, sie berührt und sie festgehalten. Meine DNA ist an ihr.«
»Diese beiden Stellen« - Scarpetta berührte die Blutergüsse an seinem Brustbein -, »hat er Sie dort mit der Taschenlampe geschlagen?«
»Schon möglich. Es könnte auch passiert sein, als ich gestürzt bin. Keine Ahnung.«
Blutergüsse verändern mit der Zeit ihre Farbe. Sie können auch Hinweise auf die Form des Gegenstandes liefern, der sie hervorgerufen hat. Oscars Verletzungen waren rötlich violett. Er hatte zwei Blutergüsse auf der Brust und einen am linken Oberschenkel. Alle hatten einen Durchmesser von etwa fünf Zentimetern und waren leicht gekrümmt. Scarpetta fand es durchaus wahrscheinlich, dass sie vom Rand einer Taschenlampe stammten. Offenbar war er mit verhältnismäßig
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