Kay Scarpetta 16: Scarpetta
nachdem sie aufgelegt hatte.
Die Hände in den Hosentaschen, lehnte Lucy an der Tür. »Lass mich raten, Gotham Gotcha. Laienhaft programmiert, nebenbei bemerkt.«
»Ich meine nicht diese widerliche Kolumne«, erwiderte Berger. »Allerdings hat der Artikel ein wichtiges Thema aufs Tapet gebracht. Also: Marino arbeitet für mich. Ich gehe davon aus, dass du vernünftig bleiben wirst.«
Lucy zog ihre Jacke an.
»Du musst es mir versprechen«, beharrte Berger. »Warum erzählst du mir das erst jetzt?«
»Bis heute Nachmittag wusste ich nicht, dass es für dieses Gespräch einen Grund geben könnte. Wir waren bereits miteinander verabredet. Das ist der zeitliche Ablauf. Und deshalb erwähne ich es nun.«
»Tja, ich hoffe, dass du deine anderen Mitarbeiter besser überprüfst als ihn«, stellte Lucy lakonisch fest.
»Das ist deine und Bentons Sache, denn er war es schließlich, der mir Marino letzten Sommer empfohlen hat. Warum Marino Charleston in Wirklichkeit verlassen hat, weiß ich erst seit heute. Ich kann nur wiederholen, was im Augenblick für uns Priorität besitzt, Lucy. Du musst damit klarkommen.«
»Kein Problem. Ich beabsichtige nicht, ihn wieder zu sehen.«
»Diese Entscheidung liegt nicht bei dir«, widersprach Berger. »Wenn du an diesem Fall arbeiten willst, wird dir nichts anderes übrig bleiben. Für mich ist er wichtiger als du, weil ... «
»Schön, etwas über dein Gerechtigkeitsempfinden zu erfahren«, fiel Lucy ihr ins Wort. »Immerhin bin ich nicht diejenige, die sich strafbar gemacht hat.«
»Das ist weder juristisch korrekt noch wahr, und ich habe auch keine Lust, darüber mit dir zu streiten. Fakt ist, dass er stark in diese Ermittlungen eingebunden ist und ich ihn nicht abziehen kann, wenn ich Konsequenzen vermeiden möchte. Ich will ihm den Fall aus einer ganzen Reihe von Gründen nicht wegnehmen, zumal er von Anfang an daran beteiligt war. Er hat nämlich vor einem Monat eine Beschwerde des Freundes der Ermordeten aufgenommen. Also werde ich Marino nicht deinetwegen abziehen. Du bist nicht die einzige forensische Computerexpertin. Nur damit das klar ist.«
»Es gibt niemanden, der mir das Wasser reichen kann. Nur, damit das ebenfalls klar ist. Aber wenn du möchtest, lasse ich die Finger von der Sache.«
»Das möchte ich nicht.«
»Weiß er, dass meine Tante hier ist?«
»Ich habe nicht mit ihm darüber gesprochen. Aber vielleicht jemand anders, da er ja jetzt durchs Internet eine gewisse Prominenz erlangt hat. Er könnte auch schon seit langem im Bilde darüber sein, dass Kay häufig nach New York kommt. Angesichts der unschönen Vorfälle im vergangenen Jahr wundert es mich nicht, dass er sie mir gegenüber nie erwähnt hat.«
»Und du hast ihm auch nichts gesagt?« Zorn malte sich in Lucys Blick. »Zum Beispiel, wie geht es Kay? Gefällt ihr die Arbeit bei CNN? Wie macht sich ihre Ehe? Ich sollte wirklich einen Kaffee mit ihr trinken gehen, wenn sie wieder in der Stadt ist.«
»Marino und ich sprechen privat nicht miteinander. Ich habe nicht die Absicht, seine neue Scarpetta zu werden. Schließlich bin ich nicht Batman und brauche keinen Robin. Das soll kein Angriff auf Kay sein.«
»Aber du weißt jetzt, was Robin Batman angetan hat.« »Ich bin nicht sicher, was wirklich passiert ist«, entgegnete Berger. Ihr Telefon klingelte. »Ich glaube, dein Wagen ist da.«
Scarpetta entfernte das getrocknete Silikon und verstaute es in Asservatenbeuteln aus Plastik. Anschließend machte sie einen Schrank auf und entnahm ihm Desinfektionstücher und eine antibakterielle Salbe. Dann öffnete sie wieder Oscars Kittel und schob ihn bis zur Taille hinunter.
»Sind Sie sicher, dass es Plastikfesseln waren?«, fragte sie. »Die sieht man doch ständig im Fernsehen«, erwiderte Oscar. »Die Polizei benutzt sie, um Menschen wie Müllsäcke zu verschnüren.«
»Es wird nicht weh tun.«
Oscar rührte sich nicht, als sie noch einmal seine Verletzungen reinigte und Salbe auftrug.
»Sie hatten kein Recht, sie anzufassen«, sagte er. »Ich hatte sie doch schon im Arm. Welchen Unterschied hätte es gemacht, wenn ich sie aufgehoben und auf die Bahre gelegt hätte? Stattdessen haben diese Arschlöcher sie angefasst. Als sie mich aus dem Bad geschickt haben, haben sie das Handtuch weggenommen. Und warum? Sie kennen den Grund. Weil sie sie angaffen wollten.«
»Sie haben nach Beweisen gesucht. Nach Verletzungen.« Vorsichtig zog sie seinen Kittel
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