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Kay Scarpetta 16: Scarpetta

Titel: Kay Scarpetta 16: Scarpetta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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erklären musste. Im Großen und Ganzen wollte sie darauf hinaus, dass er mit seinem ersten Bier einen zornigen und gefährlichen Pfad der Aggression, Promiskuität, zerstörten Freundschaften, gescheiterten Ehen und Gewalt beschritten hatte. Mit zunehmendem Alter hätten sich die zeitlichen Abstände zwischen diesen Vorfällen immer mehr verringert, denn das liege nun einmal in der Natur der Krankheit. Die Krankheit ergreife Besitz von einem, und je älter man werde, desto weniger Kraft habe man, sich dagegen zur Wehr zu setzen. So ähnlich hatte sie es jedenfalls gemeint.
    Anschließend hatte sie die Liste unterschrieben, mit einem Datum versehen, sogar ein Smiley daruntergemalt und ihm das ganze verdammte Ding - fünf Seiten - in die Hand gedrückt. Was soll ich damit?, hatte er gefragt. Es mir an den Kühlschrank kleben?
      Er war aufgestanden und zum Fenster gegangen und hatte beobachtet, wie die Wellen sich am schwarzen Granit brachen. Gischt spritzte empor, Möwen kreischten, und es war, als hätten sich die Wale und die Vögel zu einem Aufstand verbündet, um ihn aus diesem Laden rauszuholen.
      Verstehen Sie, was Sie gerade getan haben?, sagte Nancy, die sitzen geblieben war, zu seinem Rücken, während er den schönsten Tag betrachtete, den er je gesehen hatte, und sich fragte, warum er nicht da draußen war. Sie haben mich gerade zurückgewiesen, Pete. Aus Ihnen spricht der Alkohol.
      Ach, zum Teufel damit, hatte er erwidert. Ich habe seit einem gottverdammten Monat keinen Schluck getrunken. Es waren meine eigenen Worte.
      Als er nun mit dieser Frau telefonierte, die er nicht kannte und deren Name ihm gefiel, wurde ihm klar, dass er sich eigentlich recht wacker geschlagen hatte, solange er noch ein richtiger Cop gewesen war. Erst nachdem er bei der Polizei von Richmond aufgehört und als privater Ermittler erst bei Lucy und dann bei Scarpetta angefangen hatte, hatte er mit seinen Machtbefugnissen auch die Selbstachtung verloren. Er durfte nicht einmal mehr einen dämlichen Strafzettel ausstellen oder irgendeinem Idioten das Auto abschleppen lassen. Seine einzige Möglichkeit war, Gewalt anzuwenden und leere Drohungen auszustoßen. Es war, als hätte ihn jemand kastriert. Und was hatte er deshalb im vergangenen Mai getan? Er hatte Scarpetta beweisen wollen, dass er noch einen Schwanz hatte, eigentlich hauptsächlich, um es sich selbst zu bestätigen und sich sein Leben zurückzuerobern. Damit wollte er sein Verhalten auf keinen Fall entschuldigen, denn eine Rechtfertigung dafür gab es nicht.
      »Ich schicke Ihnen alles, was Sie brauchen«, sagte er zu Bacardi.
    »Das wäre prima.«
      Es bereitete ihm diebische Freude, sich Morales' Reaktion auszumalen. Er, Marino, telefonierte mit einer Mordermittlerin in Baltimore, ohne den Herrn und Meister um Erlaubnis zu bitten.
    Zum Teufel mit Morales.
      Marino war ein vereidigter Beamter des New York Police Department. Außerdem gehörte er einer Eliteeinheit bei der Staatsanwaltschaft an. Ganz im Gegensatz zu Morales. Wer hatte diesem Rapper für arme Leute bloß den Fall übertragen? Nur weil er in der fraglichen Nacht Dienst gehabt hatte und als Erster am Tatort gewesen war?
    »Sitzen Sie am Computer? «, fragte Marino Bacardi.
      »Ich bin allein zu Hause. Frohes neues Jahr. Schießen Sie also ruhig los. Haben Sie sich angeschaut, wie in New York die Kugel runtergefallen ist? Ich? Ich habe Popcorn gegessen und mir Die kleinen Strolche angesehen. Lachen Sie nicht. Ich besitze sämtliche Folgen auf DVD.«
      Marino öffnete einen großen Umschlag und nahm die Kopien von Polizei- und Autopsiebericht heraus. Anschließend holte er die Fotos aus einem anderen Umschlag und schob sie auf der Arbeitsfläche aus Resopal hin und her - wobei er Brandlöcher von Zigaretten und von heißen Töpfen hinterlassene Ringe verdeckte -, bis er das Gesuchte gefunden hatte. Das schnurlose Telefon unters Kinn geklemmt, legte er das Foto auf den an seinen Laptop angeschlossenen Scanner.
      »Sie sollten wissen, dass hier ein kleines politisches Spielchen läuft.«
    »Nur ein kleines?«
      »Ich will darauf hinaus, dass momentan nur wir beide von dieser Sache wissen und mit niemandem darüber reden sollten. Falls sich also jemand außer mir bei Ihnen meldet - und wenn es der New Yorker Polizeipräsident persönlich sein sollte -, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mich nicht erwähnen und mir sofort Bescheid geben. Dann kümmere ich mich darum.
    Nicht alle Beteiligten...

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