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Kay Susan

Titel: Kay Susan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Phantom
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geblieben waren, sah ich zehn, fünfzehn Jahre älter aus als meine dreiundzwanzig Sommer. Es war, als würden alle Härte und Grausamkeit, zu denen es mich Erik gegenüber trieb, sich Falte um Falte in mein Gesicht eingraben, grimmiges Zeugnis des endlosen Zirkels von Gewalt, der unser gemeinsames Leben kennzeichnete.
    Im Laufe dieses Jahres begann er, die geheimnisvolle Macht seiner Stimme zu erforschen. Manchmal, fast ohne daß ich es merkte, begann er leise zu singen, und die hypnotische Süße lockte mich von meinen Aufgaben fort und zog mich zu ihm wie eine unsichtbare Kette. Es war ein Spiel, das er spielte, und allmählich fürchtete ich es mehr als jede andere Ausdrucksform seines unheimlichen Genies. Ich räumte die Opernpartituren fort, die wir zusammen studiert hatten, und weigerte mich, ihm mehr beizubringen, denn ich hatte angefangen, mich davor zu fürchten, wie seine Stimme mich hypnotisierte. Es erschien irgendwie böse, fast . . . inzestuös.
    Vater Mansart kam jetzt regelmäßig, um in meinem Salon die Messe zu lesen und mir die Qual zu ersparen, jeden Sonntag in der Kirche zu erscheinen. Als er das Kind zum ersten Mal singen hörte, sah ich, daß seine Augen sich mit Tränen füllten.
    »Wenn es nicht Blasphemie wäre, so etwas zu denken«, murmelte er, »hätte ich gesagt, ich hätte in diesem Raum soeben die Stimme Gottes gehört.«
    In der angespannten, widerhallenden Stille, die sich nun herabsenkte, spürte ich meinen eigenen Herzschlag in der Kehle klopfen. Ich sah, daß die Augen hinter der Maske sich mit meinen trafen, und ihr Blick war triumphierend, fast herrisch. Er hatte es gehört, und, was schlimmer war, er hatte es begriffen. Ich wagte nicht daran zu denken, was er mit diesem Wissen anfangen würde.
    Ich erschauerte, als Vater Mansart ihn zu sich winkte und ihm feierlich erklärte, er besitze eine seltene und wundervolle Gabe. Ich wollte schreien, aber ich blieb stumm. Ich wußte, daß der Schaden bereits angerichtet war.
    Zusammen gingen sie ans Klavier. Die Hand des Priesters lag auf der knochigen Schulter des Kindes.
»Ich würde dich gern das Kyrie singen hören, Erik. Ich glaube, du kennst den Text.«
»Ja, Vater.«
Wie bescheiden er klang, wie unschuldig und verwundbar er neben dem stämmigen Priester aussah! Einen Augenblick lang zweifelte ich an meinen eigenen Sinnen. Ich fragte mich, ob ich mir nicht vielleicht aufgrund meiner drückenden Einsamkeit etwas einbildete.
Warum fürchtete ich die glockenhelle Reinheit seines kindlichen Soprans?
»Kyrie eleison . . . Christe eleison.«
Dreimal sang er die Anrufung des Himmels, und mit jedem Takt wich mein Unwille weiter zurück, bevor eine Welle schmerzlicher Sehnsucht mich erfaßte, die Hand auszustrecken und ihn zu berühren. Welche spirituelle Ekstase Vater Mansart auch immer aus diesen frommen Klängen bezog, meine Reaktion war deutlich physischer Art.
Die Worte richteten sich an Gott; aber die Stimme, die unwiderstehliche Stimme war für mich bestimmt und zog wie ein Magnet an einer tiefen, unsichtbaren Stelle meines Körpers.
Bevor Erik die nächste Strophe begann, hatte ich den Deckel des Klaviers so heftig zugeschlagen, daß ich beinahe die Finger des Priesters eingeklemmt hätte. Die plötzliche Stille wurde nur durch mein hysterisches Schluchzen unterbrochen. Vater Mansart sah mich erstaunt an, aber in Eriks Augen erkannte ich Angst und großen Kummer.
»Sie sind überanstrengt«, sagte der Priester verständnisvoll, als er mich in einen Sessel drückte. »Große Schönheit wird von den menschlichen Sinnen oft als Schmerz wahrgenommen.«
Ich zuckte zusammen. »Er soll nicht singen, Vater . . . ich werde das nicht gestatten.«
»Mein liebes Kind, ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie das ernst meinen. Einer solchen Gabe den Ausdruck zu verbieten, wäre wirklich ein Frevel.«
Ich saß aufrecht im Sessel und starrte über den Priester hinweg das Kind an, das neben dem Klavier still weinte.
»Seine Stimme ist eine Sünde«, sagte ich grimmig. »Eine Todsünde. Keine Frau, die sie hört, wird jemals im Zustand der Gnade sterben.«
Vater Mansart wich entsetzt vor mir zurück, mit einer Hand instinktiv sein Kreuz berührend, während er mit der anderen Erik zuwinkte, den Raum zu verlassen. Als wir allein waren, sah er mit einer merkwürdigen Mischung aus Mitleid und Zorn auf mich herab.
»Ich glaube, Sie waren zuviel allein mit Ihrer Bürde«, sagte er ruhig.
Ich biß mir auf die Lippen und wich seinem Blick aus.
»Sie

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