Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Kay Susan

Titel: Kay Susan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Phantom
Vom Netzwerk:
glauben wohl, ich sei verrückt.«
»Keineswegs«, antwortete er hastig, »aber es sieht so aus, als sei Ihre Urteilskraft durch die Last Ihrer Einsamkeit angegriffen. Was immer Sie zu hören glauben, ist nur die Stimme Ihrer eigenen Verwirrung. Sie müssen daran denken, es ist ja nur ein Kind – ihr Kind!«
Ich stand auf und ging an den Sekretär, der in einer Ecke des Raumes stand. Ein Wust von Papier fiel mir entgegen, als ich die Tür öffnete. Aus dem Papierstoß zu meinen Füßen nahm ich eine Handvoll Notenblätter und Architekturzeichnungen und drückte sie dem Priester in die Hand.
»Ist das das Werk eines Kindes?« fragte ich kalt.
Er trug die Papiere ans Licht und untersuchte sie sorgfältig.
»Ich hätte nicht für möglich gehalten, daß ein Kind seines Alters mit solcher Genauigkeit kopieren kann«, sagte er nach einer Weile.
»Das sind keine Kopien«, sagte ich langsam. »Es sind Originale.«
Er wandte sich um, wollte ungläubig protestieren, doch mein Gesichtsausdruck brachte ihn zum Schweigen. Er legte die Papiere auf den Tisch, setzte sich auf einen Stuhl und starrte mich ehrfürchtig an, während ich mit den Händen meine Arme umklammerte, um dem Zittern Einhalt zu gebieten.
»Es erschreckt mich«, flüsterte ich. »Das ist nicht normal. Ich kann nicht glauben, daß solche Gaben vom Himmel kommen.«
Der Priester schüttelte ernst den Kopf.
»Zweifel ist das Instrument des Teufels, Madeleine. Sie müssen Ihren Geist davor verschließen und um die Kraft beten, die Seele des Kindes zu Gott zu führen.«
Als er sich vorbeugte, um meine Hand zu nehmen, merkte ich, daß auch er zitterte.
»Ich bin hier meiner Berufung nicht gerecht geworden«, sagte er fieberhaft. »Ich werde kommen, sooft es meine Pflichten erlauben, um ihn in der Lehre unserer Kirche zu unterrichten. Der Junge muß sehr schnell lernen, den Willen Gottes ohne Fragen zu akzeptieren. Das ist außerordentlich wichtig. Ein Genie seiner Größe darf niemals von den Lehren unseres Herrn abweichen.«
Ich sagte nichts. Die Gewissensnot des Priesters war nur ein düsteres Echo meiner eigenen wachsenden Gewißheit, daß die Kräfte des Bösen sich immer dichter um mein unglückliches Kind legten.
»Sagen Sie mir, was ich tun soll«, sagte ich verzweifelt. »Zeigen Sie mir, wie ich ihn vor dem Bösen bewahren kann.«
Das Feuer im Kamin sank zu Asche zusammen, doch wir sprachen weiter bis tief in die Nacht. Der Priester warnte mich immer wieder vor jedem Versuch, Eriks einzigartige Talente zu knebeln.
»Ein Vulkan muß ein natürliches Ventil haben«, sagte er geheimnisvoll. »Er darf nicht auf sich selbst beschränkt sein. Wenn Sie das Gefühl haben, daß Sie seine Stimme nicht weiter ausbilden können, dann müssen Sie mir gestatten, es zu tun. Lassen Sie mich ihn unterrichten, als wäre er einer der Sänger in meinem Chor. Ich werde ihn in die Musik Gottes und die Wege des Herrn einweisen, und mit der Zeit wird der Himmel dafür sorgen, daß Ihnen nichts als Freude aus seiner Stimme erwächst.«
Ich starrte in die traurigen grauen Überreste des erloschenen Feuers.
Wie konnte ich ihm sagen, daß es gerade diese Freude war, die ich fürchtete?
5. Kapitel
    Er war fünf, als wir unsere Auseinandersetzung über die Maske hatten. Bis zu diesem schrecklichen Sommerabend trug er sie mit fraglosem Gehorsam, nahm sie nur zum Schlafen ab und setzte ohne sie keinen Fuß aus seinem Zimmer unter dem Dach. Meine Einstellung dazu war so streng und unbeugsam, daß er ohne sie genausowenig erschien, wie er sich nackt gezeigt hätte . . . Zumindest dachte ich das bis zu diesem Abend.
    Es war sein fünfter Geburtstag, und ich erwartete Marie zum Abendessen. Ich hatte sie nicht eingeladen. Mit ihrer wohlmeinenden Hartnäckigkeit hatte sie mir ein Ultimatum gestellt und darauf bestanden, daß ich ein Ereignis feierte, das ich bislang ignoriert hatte.
    »Du kannst das Datum nicht weiterhin übergehen«, sagte sie mit einer Entschiedenheit, die keinen Widerstand duldete. »Ich werde ihm ein Geschenk mitbringen, und wir werden miteinander festlich zu Abend essen.«
    Ich verbrachte den Tag in der Küche, bei geschlossener Tür, und machte mir dort zu schaffen, damit ich nicht an den Grund für diese Farce erinnert wurde. Es war, als bereitete ich mich darauf vor, das ganze Dorf zu füttern. In verrückter Folge verließen Blech um Blech mit Kuchen und Torten meinen Ofen, aber ich rührte und mischte in der erstickenden Hitze weiter wie eine Besessene. Die ganze Zeit

Weitere Kostenlose Bücher