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Kay Susan

Titel: Kay Susan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Phantom
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vergeben«, murmelte er. »Das ist meine Schuld. Sie waren bereit zu sterben in jener Nacht, als ich kam, um Sie zu verhaften. Ich hätte nicht eingreifen sollen. Ich sehe jetzt, daß ich weder Ihnen noch der Welt einen Gefallen getan habe, als ich Sie zum Weiterleben verurteilte.«
Ich schob die Ärmel wieder hinunter und befestigte den goldenen Manschettenknopf, der bei seinem heftigen Angriff zu Boden gefallen war.
»Haben Sie vor, mich bei der Polizei anzuzeigen?« fragte ich.
Er lachte kurz auf.
»Würde ich lange genug leben, um das zu tun?«
Ich starrte ihn an. Die Feststellung, daß selbst nach all dieser Zeit Worte mich noch verletzen konnten, war ein Schock.
»Sie glauben wirklich, daß ich dazu fähig bin?«
»Ich weiß nicht, wozu Sie fähig sind, Erik, nicht, wenn Sie die Adern voller Morphium haben.«
»Was werden Sie tun?« fragte ich dumpf.
»Was kann ich tun?« fragte er. »Was kann ich tun, ohne für den Rest meines Lebens mit Schuldgefühlen herumzulaufen?«
»Nadir . . . «
Abrupt wandte er mir den Rücken zu.
»Gehen Sie zurück in die Oper«, sagte er kalt. »Spuken Sie weiter durch den Bau, wenn es Sie befriedigt, auf diese ungewöhnliche Weise Ihre Talente zu verschwenden. Erpressen Sie Poligny, soviel Sie wollen. Soweit ich den Mann kennengelernt habe, hat er es wohl verdient. Aber wenn es noch einen geheimnisvollen Todesfall in diesem Gebäude gibt, nur einen, dann verspreche ich Ihnen, den Behörden alles zu sagen, was ich weiß. Und sie werden Sie finden, und wenn sie die Oper Stein für Stein abtragen müssen. Ich werde Sie von jetzt an sehr aufmerksam im Auge behalten, Erik. Das ist die letzte Chance, die ich Ihnen gebe. Nächstes Mal wird es keine Gnadenfrist mehr geben, für keinen von uns.«
Langsam stand ich auf, nahm Stock, Hut und Handschuhe und gab so zu erkennen, daß ich gehen wollte. Nadir trat zurück und ließ mich ungehindert zur Tür.
»Erik.«
Ich drehte mich um, sah ihn an und fragte mich, ob er hinter meiner kalten Würde die geschundenen Reste meines Stolzes wahrnahm.
»Sie hätten ein so großer Mann sein können«, sagte er traurig, »hervorragender als alle anderen Vertreter der menschlichen Spezies. Es ist eine solche Verschwendung, eine so tragische Verschwendung!«
Langsam stieg ich die schäbige Treppe hinunter und trat auf die Straße. Er hatte meine Selbstgefälligkeit und meinen Seelenfrieden zerstört, mich beleidigt, bedroht und gedemütigt. Männer waren wegen geringerer Dinge durch meine Hand gestorben, als ich heute abend sanftmütig von ihm hingenommen hatte.
Ich hätte wütend sein sollen, aber ich war nur traurig, traurig und über alle Maßen erniedrigt durch seine Bitterkeit und Enttäuschung.
Ich wünschte mir, ihn hassen zu können, aber ich konnte es nicht.
Er war noch immer mein Gewissen.
8. Kapitel
    Von diesem Tag an wurde er mein Schatten, und ich wußte, jede meiner Bewegungen jenseits des Sees würde schließlich ihren Weg in sein abgenutztes kleines Notizbuch finden. Ich fand seine Hartnäckigkeit höchst ärgerlich und doch auf eine eigene Art merkwürdig schmeichelhaft – fast rührend. Um uns beiden unerträgliche Unbequemlichkeiten zu ersparen, willigte ich schließlich ein, ihn einmal wöchentlich am Ufer des Sees zu treffen, damit er sich selbst von meinem fortgesetzten Wohlverhalten überzeugen konnte.
    Ich weiß nicht, ob einer von uns seine wirklichen Motive für dieses regelmäßige Ritual kannte. Dem Anschein nach überwachte er mich, und ich hütete eifersüchtig mein Territorium, aber wir lächelten automatisch, wenn wir uns trafen, und beim Abschied empfanden wir beide ein vages Bedauern, das zu analysieren mir widerstrebte.
    Allmählich wurde mit klar, daß er sehr einsam war. Er hatte Bekannte hier in Paris und sogar eine Übereinkunft mit einer Dame von zweifelhaftem Ruf. Um ehrlich zu sein, ich war ziemlich erstaunt über das, was er mir manchmal anvertraute. Aber in seinem Leben schien es eine große Leere zu geben, die er nicht hatte ausfüllen können oder wollen. Nach all diesen Jahren hatte er den Verlust seiner Frau wohl noch nicht wirklich überwunden, und ebensowenig den Verlust von Reza.
    »Da sind Sie ja«, pflegte er kurz angebunden zu sagen, wann immer ich aus der Dunkelheit neben ihm auftauchte. »Sie sind wieder zu spät. Wissen Sie nicht, daß ich besseres zu tun habe, als hier herumzulungern und darauf zu warten, daß Sie erscheinen?«
    In Wahrheit hatte er wirklich nichts Besseres zu tun, und das fand ich

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