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Kay Susan

Titel: Kay Susan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Phantom
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Ende der Vorstellung wurde er gefunden, und sein Hinscheiden löste keine große Erregung aus. Ein Polizist kam, stellte ein paar Routinefragen, gähnte und ging seiner Wege. Wieder ein Selbstmörder, der kein geweihtes Grab bekommen würde, das war alles. Wohl kaum ein Fall, der die Aufmerksamkeit der Pariser sûreté erforderte!
Ich beschloß, den unerfreulichen Vorfall aus meinem Gedächtnis zu streichen, doch gegen Ende der Woche, als ich zu Loge Fünf im ersten Rang ging, fand ich auf der Brüstung liegend einen Umschlag, der Für PDO adressiert war.
Ich brauchte ihn eigentlich nicht zu öffnen, ich wußte genau, was ich darin finden würde.
Pünktlich um acht Uhr an diesem Abend klopfte ich einmal an die Tür von Nadirs Wohnung in der Rue de Rivoli.
Darius ließ mich ein.
    »Sie sind also das Phantom der Oper!« sagte Nadir grimmig. »Sie können sich nicht vorstellen, wie sehr ich gehofft habe, mich zu irren.«
    Ich nahm meinen Umhang ab und setzte mich unaufgefordert in den Sessel am Kamin; mit erschrockenen Augen nahm ich die Ärmlichkeit der Wohnung wahr. Es war unübersehbar, daß ihm seine kaiserliche Pension keinen großen Luxus gestattete, und mit heißer Scham erinnerte ich mich an sein wunderschönes Anwesen in Persien. Niemals hätte ich ihn willentlich ins Exil und in so traurige Verhältnisse gebracht, niemals!
    »Sie machen sich nicht einmal die Mühe, es zu leugnen, nicht wahr?« fuhr Nadir fort, erbost über mein Schweigen.
Langsam streifte ich die Handschuhe ab und legte sie in meinen Hut.
»Was hätte das Leugnen für einen Sinn? Sie haben mich ohnehin bereits geprüft und verurteilt, oder nicht? Aber ich verstehe nicht, warum Sie so wütend sind. In der Regel bin ich ein sehr harmloser Geist.«
»So habe ich es nicht gehört, Erik. Der ganze Betrieb hat Angst vor Ihnen!«
»Ach, wirklich?« seufzte ich. »Ein paar alberne Mädchen und leichtgläubige alte Damen?«
»Und eine Direktion, die alle Ihre Forderungen erfüllt.«
Ich runzelte die Stirn. »Die Welt ist voll von Opfern und Beutejägern. Das Überleben des Tüchtigsten ist nichts als ein natürlicher Ausleseprozeß. Guter Gott, Sie haben lange genug in Persien gelebt, um das zu wissen. Und meine Bedingungen sind, alles in allem genommen, eher bescheiden.«
»Zwanzigtausend Francs im Monat sind wohl kaum bescheiden zu nennen.«
»Ich habe teure Vorlieben«, sagte ich.
Er machte eine ärgerliche Geste und ließ sich in den Sessel mir gegenüber fallen.
»Ich habe mein Leben riskiert, um Sie zu retten«, sagte er langsam. »Ich habe alles riskiert, was ich besaß.«
Ich versuchte zu lachen.
»Das dürfen Sie sich wirklich nicht zu Herzen nehmen. Wir alle irren von Zeit zu Zeit in unserem Urteil.«
»Ich wollte Ihr einzigartiges Genie retten«, fuhr er unerbittlich fort, als hätte ich nichts gesagt, »Ihre Brillanz, Ihre enorme Fähigkeit zum Guten.«
»Ich bitte um Verzeihung«, sagte ich ironisch. »Ich fürchte, da haben Sie mich wirklich mißverstanden. Ich glaube, Sie müssen irgend etwas durcheinandergebracht haben.«
Noch immer ignorierte er meine verzweifelten Scherze und starrte mich mit einer Trauer und einem Unglauben an, die ich kaum ertragen konnte. »Und so lohnen Sie mir mein Opfer«, sagte er dumpf. »Sie werden ein Geist!«
Er sah aus, als werde er gleich weinen, und plötzlich wäre ich vor Scham am liebsten gestorben.
»Sie haben mir versprochen«, sagte er, und es klang, als ersticke er an den Worten, »Sie haben versprochen, Sie würden nicht mehr töten, außer in Notwehr.«
»Ich habe mich bemüht, dieses Versprechen zu halten«, sagte ich leise.
Seine mageren Hände umklammerten die Armlehnen seines Sessels.
»Nun, offenbar haben Sie sich nicht genügend bemüht, oder?«
»Was meinen Sie damit?«
»Ich meine Joseph Bouquet.«
Ich hob mit einer unverbindlichen Geste die Schultern.
»Der Mann hat Selbstmord begangen. Die Polizei ist damit zufrieden, oder?«
»Ja«, gab er widerwillig zu.
»Nun also, was hat das mit mir zu tun?«
»Glauben Sie, ich würde Ihre Handschrift nicht erkennen, wenn ich sie sehe? Wie viele Selbstmorde hat es in Persien gegeben, Erik, wissen Sie das überhaupt noch? Wissen Sie es noch? Oder haben Sie alles ausgewischt, es im Opiumnebel vergessen?«
Plötzlich hielt er inne, beugte sich vor, packte meinen rechten Arm und schob die Ärmel von Anzug und Hemd hoch. Einen Augenblick starrte er auf die zahlreichen Einstiche, die den Linien meiner geschundenen Adern folgten.
»Möge Allah mir

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