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Kay Susan

Titel: Kay Susan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Phantom
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sie nie zu erfahren, was passiert ist.
    Als Raoul heute nacht nach der Vorstellung in meine Garderobe kam, traf er mich dabei an, daß ich hastig meinen Umhang befestigte. Ich sah seinen plötzlich unverkennbar enttäuschten Blick. Wir hatten sieben wilde, wundervolle Tage verbracht. Wir waren hinausgefahren in den Bois, wir hatten die Elefanten in den Zoologischen Gärten gefüttert, hatten jeden Abend ein anderes Restaurant und ein anderes Theater aufgesucht. Wir hatten über die Komödien gelacht, über die Tragödien geweint, uns fröhlich über Menus gestritten und Champagner aus demselben Glas geschlürft. Ich sah seinen Augen an, wie schwer er es hinnehmen konnte, daß dieser angenehme Zustand nicht andauern würde.
    »Du gehst zurück zu Erik, nicht wahr?« sagte er unglücklich. »Ich hatte gehofft, nach dieser Woche würdest du die Kraft finden, deine Meinung zu ändern.«
    Einen Augenblick lang antwortete ich nicht. Ich war mir bereits klar darüber, wie unklug es gewesen war, in den letzten paar Tagen so viel Zeit mit ihm zu verbringen, wie schrecklich unloyal Erik gegenüber.
    »Ich muß zurück, Raoul, das weißt du.«
»Warum mußt du zurück? Ich begreife einfach nicht, welchen Einfluß er auf dich hat. Du benimmst dich, als hättest du keinen eigenen Willen mehr. Christine, wenn du Angst vor ihm hast . . . «
»Ich habe keine Angst vor ihm, jedenfalls nicht um mich selbst. Du brauchst dir um meine Sicherheit keine Sorgen zu machen. Erik würde eher sterben als mir etwas antun.«
Raoul durchquerte die Garderobe und faßte meine Arme. Sein jungenhaftes Gesicht war gerötet, und die durchdringenden blauen Augen schauten argwöhnisch.
»Bist du in ihn verliebt?« fragte er.
»Ich weiß nicht.«
Er nickte und trat zurück, meine Arme loslassend.
»Besteht die Möglichkeit, daß du es irgendwann in naher Zukunft weißt? Oder soll ich endgültig verschwinden und aufhören, dich zu belästigen? Das wäre Erik doch sicher recht, nicht wahr? Ich denke, er würde auf wunderbare Weise sehr schnell wieder gesund, wenn ich von der Bildfläche verschwände.«
Tränen brannten in meinen Augen, und ich wandte mich ab, um meine Handschuhe aufzunehmen.
»Wenn du ihn gesehen hättest, würdest du niemals etwas so Herzloses sagen.«
»Erzähle mir von ihm.«
»Das habe ich doch schon getan.«
»Nun, dann tu es noch einmal. Ich möchte es noch einmal hören.«
»Was willst du hören?« rief ich zornig. »Die Morde, die Diebstähle, das Morphium?«
»Ich möchte wissen, wie er aussieht.«
Mit plötzlicher Verachtung blickte ich zu ihm auf.
»Er sieht aus wie du, Raoul! Er sieht genauso aus, wie du aussehen wirst, nachdem du ein paar Monate tot bist! So . . . , bist du jetzt zufrieden, hast du genug gehört?«
Raoul sank auf den Stuhl neben meinem Ankleidetisch und stützte einen Augenblick den Kopf in die Hand.
»Sagst du wirklich die Wahrheit?« murmelte er schließlich.
»Ja«, sagte ich kühl. »Alles, was ich dir über ihn erzählt habe, ist wahr. Einschließlich meiner Gefühle für ihn.«
»Ich verstehe.«
Er stand langsam auf, zog eine kleine Schmuckschatulle aus der Manteltasche und legte sie auf den Tisch.
»Das habe ich heute gekauft. Ich hatte gehofft, du würdest es annehmen, aber dafür bestehen ja wohl kaum Chancen. Ich lasse es trotzdem da. Ich glaube nicht, daß sie es zurücknehmen würden.«
Mit zitternden Fingern öffnete ich die Schatulle, und im Licht der Gaslampe strahlte ein Ring mit einem großen Rubin, umgeben von Diamanten.
»Oh, Raoul«, seufzte ich. »Ich kann ihn unmöglich für dich tragen, solange Erik lebt.«
»Du warst diejenige, die gesagt hat, er lebe vielleicht nicht mehr lange.«
»Raoul . . . bitte.«
Wieder nahm er mich in die Arme.
»Du brauchst mir nur zu sagen, daß du mich nicht liebst, daß du mich nicht heiraten willst. Nur das mußt du sagen, wenn du willst, daß ich gehe.«
In angespanntem Schweigen wartete er auf meine Antwort, und als ich hilflos den Blick abwandte, nahm er den Ring von seinem roten Samtpolster und steckte ihn mir entschlossen an den Finger.
»Es macht mir nichts aus, wenn du meinst, daß du ihn einstweilen verstecken mußt«, sagte er. »Wir beide haben zusammen Geheimnisse gehabt, seit wir zehn Jahre alt waren.«
Als er mich küßte, machte ich keinen Versuch, ihn daran zu hindern, und das Schuldgefühl wurde fast unerträglich.
Sobald ich wieder allein war, nahm ich den Ring vom Finger und hängte ihn an meine Halskette mit dem Kruzifix, wo er nicht

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