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Kay Susan

Titel: Kay Susan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Phantom
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anzuflehen begann und in seiner Stimme plötzlich ein Ton von unmittelbar bevorstehender Gewalttätigkeit erschien. Guter Gott, sie machte ihn wütend, schrecklich wütend. Merkte sie nicht, daß jedes Wort, das sie sprach, seinen Zorn und seine Bitterkeit nur steigerte? Sei still, flehte ich stumm, sag nichts mehr, sonst bringt er dich um!
    Ich hörte, wie er sie anschrie und wie dann ein Gegenstand durch den Raum geschleudert wurde. Ich hörte sie fragen, was er wolle, und danach hörte ich nichts mehr. Es gab ein langes, schreckliches Schweigen, das sich immer mehr dehnte bis in die Unendlichkeit, und das Zittern, das mich überkam, raubte mir die letzte Kraft und Hoffnung. Ich nahm an, das Unvermeidliche sei geschehen und er habe sie erwürgt. Wenn sie tot war, kümmerte es mich nicht mehr sonderlich, was aus mir wurde.
    Als der Spiegel vor mir sich auf einmal von allein öffnete, bewegte ich mich einen Augenblick lang nicht. Dann, mit seltsamer, gelassener Ruhe, hielt ich inne, um meine Jacke aufzuheben und den schrecklichen Augenblick hinauszuschieben, in dem ich aufblicken und sehen müßte, was er getan hatte. Ich hätte nicht für möglich gehalten, daß man in einen so apathischen Zustand verfallen kann. Ich fühlte mich zerschlagen und sehr, sehr alt, als ich in den Nebenraum taumelte. Mein Gehirn schien überhaupt nicht mehr zu funktionieren, nicht einmal, als ich sie beide dort stehen sah. Im ersten Augenblick konnte ich gar nicht begreifen, daß Christine noch lebte.
    Sie standen sehr nahe beieinander, so nahe, daß sie sich fast berührten, und Christine blickte mit einer Intensität zu ihm auf, die mich und alles andere in diesem Raum vollkommen ausschloß. Sie schien nichts wahrzunehmen außer ihm. Ich hätte gesagt, sie sei in Trance, wenn da nicht dieser Blick in ihren Augen gewesen wäre, der nicht von Angst zu künden schien, sondern eher von – Offenbarung.
    Er war derjenige, der sich zuerst bewegte. Er drehte sich um und ermöglichte mir so einen ersten Blick auf sein entsetzliches Gesicht. Mein Gott! Sie hatte wirklich nicht gelogen. War es möglich, daß ein lebendes Wesen so aussah?
Er entfernte sich von ihr und kam langsam und mit einem tiefen Seufzer auf mich zu.
    »Ziehen Sie Ihre Jacke an, junger Mann, sonst werden Sie sich erkälten«, sagte er mit ruhiger Strenge.
Ungläubig und ohne ihn eine Sekunde aus den Augen zu lassen, kämpfte ich mich mühsam in meinen Frack.
»Und jetzt gehen Sie auf einer geraden Linie.«
»Wie bitte?« stammelte ich unsicher.
Wieder seufzte er mit einer Art müder Geduld, als sei ich ein besonders einfältiges Kind.
»Sie werden eine gewisse Strecke im Dunkeln rudern müssen. Ich werde Ihnen nicht gestatten, Christine in diesem Boot mitzunehmen, ehe ich mich nicht Ihrer Kräfte und Ihres Gleichgewichtsgefühls vergewissert habe. Nun, gehen Sie ein paar Schritte.«
Ich durchquerte das Zimmer und kam nach einer Geste von ihm wieder zurück. Christine hatte sich nicht bewegt. Sie erschien wie angefroren und starrte ihn noch immer gebannt an; doch im Augenblick vertrieb mein Staunen jeden Gedanken an ihr seltsames Verhalten aus meinem Kopf.
Er wird uns gehen lassen. Ich glaube wirklich, daß er uns gehen lassen will . . .
»Sie scheinen keinen Schaden genommen zu haben«, fuhr Erik ernst fort. »Ich rate zu kleinen Flüssigkeitsmengen in regelmäßigen Abständen während der nächsten zwölf Stunden. Bitte denken Sie daran, zuviel Wasser macht sie krank, Alkohol ebenfalls.«
Ich starrte ihn mißtrauisch und ungläubig an. Dieser Mann, der versucht hatte, mich zu töten, sprach jetzt mit mir, als sei er mein Vater, oder mein Arzt. Vielleicht hatte ich ja doch Halluzinationen.
»Ich möchte, daß Sie sie so schnell wie möglich heiraten«, sagte er langsam. »Ich nehme an, daß Sie damit vollkommen einverstanden sind?«
Ich nickte, völlig verblüfft über diese Wendung des Gesprächs.
»Gut. Jetzt werde ich Ihnen eine sehr unverschämte Frage stellen, und ich hätte gern eine ehrliche Antwort darauf. Werden Sie genügend Einkommen haben, um sie zu erhalten, falls Ihre Familie Sie verstößt? Nun, seien Sie nicht so stolz, junger Mann! Sie sind erst zwanzig, Sie sind noch nicht volljährig, und ich möchte Ihnen lieber geben, was immer Sie brauchen, als mein Kind mit einem verarmten Aristokraten verheiratet zu sehen.«
Ich versicherte ihm, daß meine Finanzen in vollkommen befriedigendem Zustand waren. Ich war überzeugt, bloß in einen bizarren Traum geraten

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