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Kay Susan

Titel: Kay Susan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Phantom
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düsteren Stille, und meine Fußtritte in den Hausschuhen klangen unnatürlich laut, als ich wieder die Treppe hinauflief.
»Erik, wo bist du?«
Ich riß die Tür zu seinem Zimmer auf. Es war ebenfalls leer. Ich betrachtete seine wenigen Schätze: die Architekturbücher meines Vaters, den Schrank voller Noten, eine Kommode, vollgestopft mit einer seltsamen Sammlung magischer Vorrichtungen. Die Geige, die ich ihm geschenkt hatte, als er drei war, lag vergessen am Fußende seines Bettes. Ich sah, daß er nichts mitgenommen hatte, und ohne nachzuschauen wußte ich, daß meine Börse unberührt auf der Kommode in meinem Zimmer lag.
Doch es lag ein Zettel daneben. Und auf ihm stand geschrieben: »Vergiß mich!«
ERIK
1840–43
1. Kapitel
    Ich weiß noch, daß pechschwarze Nacht war, als ich aus unserem Haus in Boscherville fortlief. Während ich mich durch das dichte Unterholz des Birken- und Kiefernwaldes von Roumare kämpfte, zerrissen Dornen mir die Hände. Gewöhnlich war ich nicht so ungeschickt, doch in dieser Nacht beeinträchtigte eine starke Dosis Laudanum mein Reaktionsvermögen, und ich stolperte und stürzte mehrmals. Die Wunde an meinem Brustkorb hatte bei der Anstrengung wieder zu bluten begonnen, und ich spürte erneut eine warme, klebrige Feuchtigkeit unter dem Hemd; aber ich hielt nicht inne. Ich lief einfach weiter und weiter – als hänge mein Leben von dieser verzweifelten, überstürzten Flucht ab –, ohne zu wissen, wie und wohin ich fliehen sollte.
    Ich fürchtete mich nicht mehr vor der Dunkelheit. Schon lange hatte ich gelernt, die Finsternis zu schätzen, die mich vor haßerfüllten Augen beschützte. Ich war zu einem Geschöpf der Nacht geworden, das ungesehen durch die Wälder streifte und die wundervollen Geheimnisse der Natur in sich aufnahm, während diejenigen, die das harte Tageslicht liebten, behaglich und unwissend in ihren Betten schliefen. Ich war ein Nachtwesen wie der Dachs; und wie der Dachs wußte ich, daß mein einziger Feind der Mensch war.
    Es gab keinen Plan und keinen folgerichtigen Gedanken in meinem Kopf, nur ein tiefes, instinktives Bedürfnis, mich weit vom Haus meiner Mutter zu entfernen. Sallys Tod hatte mir bewiesen, daß meine Mutter nie sicher sein würde, solange ich unter ihrem Dach lebte. Während ich halb betäubt auf dem Sofa lag, wurde mir klar, daß mir nur zwei Möglichkeiten offenstanden: Ich konnte zulassen, daß sie mich in diesem schrecklichen Gefängnis für Verrückte einsperrten, oder ich konnte weglaufen. Ich entschied mich für die Flucht.
    Als die Morgendämmerung kam, fand ich einen Fluß, wo ich trinken und mir aus Zweigen und bereiften Blättern einen Unterschlupf bauen konnte. Als er fertig war, kroch ich hinein und lag da, erschöpft genug, um trotz aller körperlichen Schmerzen zu schlafen. Der Schmerz in meiner Seele aber hielt mich wach, der Schmerz von Worten, die tiefer schnitten als jede Metallklinge: Gräßliche Laune der Natur. Monströse Last.
    Ich dachte an meine Mutter. Mit schrecklicher Klarheit sah ich ihre Erleichterung über meinen Weggang, und ich stellte mir vor, wie Dr. Baryé sie tröstete. Jetzt war sie frei. Sie würden zusammen fortgehen an einen Ort, wo niemand sie kannte, wo sie mich vergessen und glücklich sein konnte.
    Ich wollte, daß sie glücklich war. Sie war so schön, wenn sie lächelte. Doch selbst in meinen frühesten Erinnerungen war sie zu mir immer kalt und distanziert wie ein ferner Stern, außerhalb jeder Reichweite. Ich glaube, ich wurde mit dem Wissen geboren, daß ich sie nicht berühren durfte, aber es dauerte lange, bis ich den Grund für ihren Widerwillen und Haß begriff. Selbst als sie mich vor diesen Spiegel schleppte und mir mein Gesicht zeigte, verstand ich zuerst nicht. Ich dachte, das schreckliche Ding im Spiegel sei irgendein alptraumhaftes Geschöpf und sollte mich für meinen Ungehorsam bestrafen.
    Die Wahrheit entdeckte ich erst nach und nach, und mit dem Aufdämmern der Erkenntnis entwickelte ich eine irrationale Faszination für Spiegel. Als ich mit den Glasscherben zu spielen begann, lernte ich, daß man mit ihnen zaubern und anderen tatsächlich eine Illusion in der Art eines Alptraumes vorgaukeln konnte. Solche Experimente machten meine Mutter ärgerlich. Sie fand diese Vorliebe krankhaft und sagte, wenn ich sie nicht besiegte und meine Gedanken Gott zuwendete, würde ich gewiß im Wahnsinn enden.
    Immer hat man mir gesagt, ich solle meine Gedanken Gott zuwenden, als sei ich eine

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