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Kay Susan

Titel: Kay Susan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Phantom
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Grund, nicht an diese Drohung zu glauben, und mein entsetzter Aufschrei wurde mit lautem Gelächter quittiert.
»Du solltest also besser dein Gesicht zeigen«, fuhr der Mann ruhig fort, »falls du nicht über dem Lagerfeuer enden willst.«
Mit beiden Händen hielt ich die Maske fest. Wie sollte ich wissen, ob Zigeuner nicht ebenso reagierten wie christliche Menschen, wenn sie mein Gesicht sahen?
»Ach, laßt ihn doch«, sagte eine Frau in leuchtend bunten Röcken. »Der arme kleine Teufel sieht aus, als ob er am Verhungern wäre. Gebt ihm zu essen und laßt ihn gehen, er hat schließlich keinen Schaden angerichtet.«
»Woher weißt du, daß er keinen Schaden angerichtet hat?« schrie ein Mann hinter mir. »Was hatte er bei den Pferden zu suchen? Dreht ihm zuerst die Taschen um und seht nach, was er gestohlen hat!«
»Und nehmt ihm die Maske ab!«
»Ja, reißt ihm die Maske runter!«
Der Ruf wurde aufgenommen wie ein Kehrreim, und ich wurde rings um das Feuer von einem zum anderen gestoßen, wobei ich mich die ganze Zeit bemühte, die Maske festzuhalten.
»Nimm die Maske ab, Schätzchen, und laß dich anschauen.«
Finger machten sich an meinen Schläfen zu schaffen, und ich begann zu schreien und wild um mich zu treten.
»Nein . . . nein! Bitte nicht . . . bitte!«
Man drehte mir die Arme auf den Rücken, und ich kämpfte heftig darum, mich zu befreien. Eine starke Hand legte sich unter mein Kinn und riß die Maske ab. Plötzlich herrschte tödliche Stille. Alle starrten mich an. Der Gesichtsausdruck der Leute reichte von ungläubigem Staunen bis zur Furcht.
»Laßt mich gehen«, flüsterte ich. »Wenn ihr mich gehen laßt, verspreche ich, nie wiederzukommen.«
Wie ein Rudel Wölfe umkreisten sie mich immer enger. Ich sah eine Messerklinge im Feuerschein, und ich schrie, denn plötzlich wußte ich, daß die Zigeuner wie alle anderen Menschen waren: verständnislos und grausam.
Ich schloß die Augen und gab mein Leben verloren.

2. Kapitel
    Es war Morgen, als ich auf einem Stapel Sackleinen erwachte. Als erstes griff ich instinktiv nach der Maske. Sie war nicht da. Benommen setzte ich mich auf und tastete herum, bis ich bei der Berührung einer Metallstange zurückwich. Es dauerte eine Weile, bevor ich erkannte, daß ich überall von Gittern umgeben war.
    Ich lag in einem Käfig!
Zitternd vor Angst und Verwirrung sank ich auf den Lumpenstapel zurück und schloß fest die Augen. Ich war so durcheinander, daß ich mir leicht einreden konnte, das, was ich gesehen hatte, sei nur das Produkt eines Fiebertraums. Bald würde ich aufwachen und wieder in meinem Dachbodenzimmer sein, Sally zu meinen Füßen. Ich wartete auf das Erwachen, und während ich wartete, berührte ich mit der Zungenspitze meine geschwollenen Lippen und versuchte zu rufen. »Sally, wo bist du?«
»Schnell!« hörte ich eine Stimme rufen. »Lauf und hol Javert. Er hat gesagt, wir sollten ihn holen, sobald es aufwacht.«
»Ach, was soll die Eile? Wir wollen zuerst ein bißchen Spaß haben mit ihm. Hier, nimm den Stock. Wovor hast du Angst? Es kann nicht heraus.«
Es!
Ich lag ganz still und konzentrierte meinen Willen, um diesen Alptraum zu vertreiben. Es war nur ein Traum, ein böser Traum, der enden würde . . .
Als das scharfe Holzstück meine Stirn traf, versuchte ich, aus der Reichweite meiner Peiniger zu kriechen, aber sie folgten mir einfach auf die andere Seite des Käfigs. Ich konnte jetzt sehen, daß sie zu dritt waren, zwei magere, olivhäutige Zigeunerjungen mit schwarzem Haar und schmutzigen Gesichtern und ein kleines Mädchen in zerrissenem Rock, das zurückwich und zu weinen begann. »Nicht, Miya . . . Tu ihm nicht weh!«
»Ach, sei still, Orka, oder ich stecke dich zu ihm in den Käfig. Komm, Vaya, suchen wir uns ein paar Steine.«
Ein großer Schatten fiel auf den Boden des Käfigs, und ich hörte das Knallen einer Peitsche. Sofort rannten die Kinder davon. Als die Tür meines Käfigs aufgeschlossen wurde, drehte ich mich um, um zu meinem neuen Herrn aufzublicken.
Mein erster Eindruck war der von Größe – enormer Größe. Ein riesenhafter Mann mit einem großen Bauch, der grotesk über seinen enggeschnallten Gürtel hing, stand vor mir. Er hatte keinerlei Ähnlichkeit mit den kleinen, schlanken, ziemlich graziösen Männern, die ich am Vorabend am Lagerfeuer gesehen hatte; er sah nicht aus wie ein Zigeuner – vielmehr jeder Zoll wie ein Schurke. Seine Augen, eingesunken in einem fetten Gesicht, das selbst an diesem frischen

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