Kay Susan
ein Narr murmelte ich zahllose Entschuldigungen, doch meine Versöhnungsbemühungen brachten mir nur weitere böse Kratzer durch das aufgebrachte Tier ein. Allah, wie ich Katzen haßte! Die elenden Geschöpfe waren überall im Palast und füllten die Räume mit dem Gestank ihres Kots. Es galt als besonderes Privileg, von einer der königlichen Katzen angepinkelt zu werden – man durfte weder angewidert aufschreien noch davonlaufen, um saubere Kleider anzuziehen. Tatsächlich kannte ich einen Höfling, der lieber die Schöße seiner Jacke abschnitt, als die schlafende »Glorie des Kaiserreiches« in ihrer Ruhe zu stören. Die Katzen hatten ihre eigenen Diener und wurden in mit Samt ausgeschlagenen Käfigen getragen, wann immer der Hof reiste. Einige der besonders begünstigten Tiere bezogen sogar Pensionen. Männer waren schon für wesentlich geringere Vergehen ins Gefängnis geworfen worden als dafür, daß sie auf den Schwanz einer königlichen Katze getreten hatten. Ich wußte, ich hatte Glück, so glimpflich davonzukommen.
Ich verließ den Palast in wütender Stimmung. Es war immer gefährlich, den Hof für eine unbestimmte Zeit zu verlassen, aber mein Groll hatte tiefere und unendlich viel schmerzlichere Ursachen. Die Mission gefährdete mehr als die Sicherheit meines Postens.
Seit mehr als einem Jahr wußte ich, daß es mit der Gesundheit meines Sohnes nicht zum besten stand. Er litt unter einer seltsamen Sehstörung, und die Muskeln seiner Arme und Beine wiesen eine Schwäche auf, die ständig zunahm. Trotz der beruhigenden Versicherungen mehrerer Ärzte blieb mein Unbehagen bestehen. Wir Perser waren nicht gerade bekannt für unsere medizinische Kunst. Der Schah hatte längst seinen einheimischen Quacksalber entlassen und nahm statt dessen die Dienste eines französischen Arztes in Anspruch. Ich wollte mein Heim zu diesem Zeitpunkt nicht verlassen, und doch wußte ich, ich hatte keine Wahl. Einen kaiserlichen Auftrag abzulehnen, bedeutete, sich die Ungnade des Schahs zuzuziehen, und ich kannte keinen schnelleren Weg zu Ruin und Tod.
An diesem Abend, als ich Reza geduldig erklärte, warum ich ihn während meiner Abwesenheit der Fürsorge von Dienstboten überlassen mußte, wurde mir plötzlich klar, welch schlechten Dienst ich ihm erwiesen hatte, als ich darauf verzichtete, ihm eine neue Mutter zu geben. Ich hatte meinen Teil Konkubinen gehabt, doch seit Rookheyas Tod hatte ich nie auch nur im entferntesten die Versuchung gespürt, mir die vier Ehefrauen zuzulegen, zu denen meine Religion mich berechtigte. Sooft meine Männlichkeit sich regte, nahm ich die Dienste einer der Frauen meines Haushalts in Anspruch und schob jeden Gedanken an eine Heirat in den Hintergrund. Doch jetzt, während ich Rookheyas blasses und zartes Kind anstarrte, fragte ich mich, ob ich sie in der Selbstsucht meiner Trauer nicht beide betrogen hatte.
Es gab, wie erwartet, Tränen. Ich hatte den Jungen allzusehr von meiner Zuneigung abhängig werden lassen, und nun konnte ich ihm nicht einmal sagen, wann ich zurückkommen würde. Um mir anstelle der Tränen ein Lächeln zu erkaufen, sagte ich ihm, ich werde ausgeschickt, um den größten Zauberer zu suchen, der je gelebt hat. Und ich versprach ihm, daß ich nach der Erfüllung meiner Mission dieses achte Weltwunder zuerst in unser Haus führen und dann erst zum Schah bringen würde. Wie leicht es ist, ein Kind mit Versprechungen abzulenken! Wären doch Schuldgefühle ebenso leicht zu besänftigen.
Während ich zusah, wie Reza hinkend meine Gemächer verließ, verfluchte ich von Herzen die Khanum, deren verdammte Laune uns diese Monate der Trennung aufzwang. Was das mysteriöse Genie anging, das zu verfolgen ich nun verurteilt war, so wünschte ich, es hätte niemals einen Ton gesungen und damit diesen geschwätzigen Pelzhändler aus Samarkand verzaubert. Es wäre besser in der Wolga ertrunken, statt unglaubliche Kunststücke zu vollbringen, die seinen Ruf durch Handelskarawanen weit über die Steppen Rußlands hinaus verbreiteten.
Tausendmal seist du verflucht, dachte ich bitter. Ich wünschte, du wärest nie geboren worden!
2. Kapitel
Um Nischni Nowgorod noch vor dem Ende des Großen Yarmark, wie der berühmte Sommerjahrmarkt hieß, zu erreichen, mußte ich unverzüglich das Kaspische Meer überqueren. Auf dem Rücken eines Kamels reisen Gerüchte recht gemächlich, und der Bericht, der die Vorstellungskraft der Khanum angeregt hatte, hatte fast zwölf Monate gebraucht, um uns zu
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