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Kay Susan

Titel: Kay Susan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Phantom
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erreichen. Ich hatte keine Zeit zu verschwenden, um das Gefolge auszuwählen, das der reisende Perser so liebt. Ich nahm nur eine Handvoll Diener mit – darunter meinen bewährten Darius –, und im Interesse der Geschwindigkeit reisten wir mit dem leichtestmöglichen Gepäck.
    Die Schiffsreise möchte ich am liebsten vergessen, denn sie war so unangenehm, wie man es sich nur vorstellen kann. Die Sommerstürme tobten unglaublich heftig, und unser kleines Schiff wurde hin und her geworfen wie ein Stück Treibholz. Als wir Astrachan erreichten, war ich schlechter Laune. Das erste, was mir an dieser berühmten russischen Stadt auffiel, waren nicht die hochragenden Minarette ihrer vielen Moscheen oder die anmutigen Kuppeln der zahllosen Kirchen, sondern der ekelhafte Gestank verwesender Fische, der die ganze Stadt erfüllte.
    Ich zog mich sofort in ein schäbig aussehendes hölzernes Gasthaus zurück und überließ es Darius, unsere Dampferfahrt wolgaaufwärts zu arrangieren. Die Wirtin servierte ein Mahl, das aus Kohlsuppe, Gurke und Wassermelone zu bestehen schien. Ich betrachtete noch dieses unbekömmliche Gemisch und überlegte, ob ich es wohl wagen sollte, meinem aufgebrachten Magen einen Bissen davon zuzumuten, als auch schon Darius mit besorgter Miene zurückkam. Der Große Yarmark in Nischni Nowgorod dauerte nur noch ein paar Tage, und der Dampfer, auf dem er deswegen Plätze für uns reserviert hatte, legte schon zur Mittagszeit ab. Angeekelt ließ ich die Wassermelone stehen und sah zu, wie unser Gepäck ohne viel Rücksicht die holprige Treppe hinuntergewuchtet wurde.
    Eine Vergnügungsreise die Wolga hinauf ist bestenfalls eine angenehme Sache für jemanden, der nicht unter nervenaufreibender Eile ist. Meine moslemischen Mitreisenden schienen sich zu vergnügen. Fünfmal am Tag traf ich sie auf dem Radkasten des Dampfers, um mein Gesicht nach Mekka zu wenden und mich im Gebet niederzuwerfen, doch zu meiner Schande muß ich gestehen, daß mein Geist oft von den rituellen Anrufungen abschweifte. Ich hatte keinen anderen Gedanken im Kopf als den Erfolg dieser Mission, denn nur Erfolg würde mir ermöglichen, rasch wieder nach Hause zu meinem Sohn zurückzukehren. Ich verfluchte das gemächliche Tempo unseres Dampfers und machte einen Besuch im Maschinenraum, um mich zu erkundigen, ob das Schiff nicht schneller fahren könne. Auf meine Frage bekam ich einen Vortrag über die Mechanik der Dampfernavigation zu hören und den schroffen Hinweis, zur Zeit der alten maschinas, die noch bis vor kurzem in Betrieb gewesen waren, sei alles noch viel langsamer gegangen. Ob mir denn nicht klar sei, daß diese Reise früher so viele Wochen gedauert hatte wie jetzt Tage . . .
    »Bewundern Sie die Aussicht und seien Sie geduldig«, rief der alte Kapitän.
Die Aussicht auf die bewaldeten Hügel, die idyllischen Buchten interessierte mich nicht. Ich starrte in die Ferne, ohne etwas zu sehen, und wünschte nur, das Schiff würde schneller fahren. Sechzehnhundert endlose Meilen lagen vor mir, und die Tage gingen dahin wie Sand in einem Stundenglas: Saratow, Samara, Kasan . . .
Und dann, endlich, erschien das eckige, weißgekalkte Kloster von St. Makarius am rechten Ufer, und ich wußte, daß ich nur noch fünf Stunden von meinem Ziel entfernt war.
    Als wir am Kai von Nischni Nowgorod anlegten, schickte ich meine Diener aus, um in der Oberstadt Quartier zu suchen. Ich wartete nur so lange, bis ich eine Adresse hatte, und heuerte dann eine Droschke an, die mich durch die Stadt in das westliche Viertel fuhr, das man mir genannt hatte. Darius begleitete mich; er behauptete, der Jahrmarkt sei voll von Dieben und Gaunern, und ein Edelmann dürfe sich nicht allein in die Menschenmenge begeben.
    In der Tat konnte sich das kleine Tatarenpferd kaum einen Weg durch den dichten Verkehr bahnen, der vom Jahrmarkt strömte. Kein persischer Basar war mit diesem Chaos zu vergleichen. Menschen zu Fuß, in Kutschen oder zu Pferde, Viehherden, Karren, beladen mit Fässern und Kisten und Kästen aller Art, alles behinderte unser Fortkommen. Ich war erstaunt, daß noch spät am Tag solcher Betrieb herrschte. Ein stetiger Regen fiel, und das Pferd sank bis zu den Fesseln im Schlamm ein; solche sintflutartigen Regenfälle waren anscheinend ziemlich häufig. An buchstäblich jeder Straßenecke, die wir passierten, gab es einen Heiligenschrein oder ein Heiligenbild, umgeben von hysterischen Männern und Frauen, die sich vor den brennenden Kerzen in den

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