Kay Susan
Schlamm warfen und sich fieberhaft bekreuzigten, als hinge ihr Leben von dieser Geste ab.
»Christen!« sagte Darius leise, und in seiner Stimme hörte ich die ganze alte Verachtung des Islams für die Ungläubigen. Ich teilte seinen Glauben, nicht aber seine Verachtung. Ich wußte, es gab keinen Gott als Allah; ich akzeptierte, daß kein Ungläubiger jemals Eintritt ins Paradies erlangen würde, und doch hatte ich viele Freunde in den katholischen Missionen Persiens gewonnen, Männer, deren moralische Stärke ich bewunderte, obwohl ich ihren religiösen Irrglauben bedauerte. Sie hatten keine Hoffnung auf den Himmel, aber hier auf Erden sah ich keinen Grund, ihnen Höflichkeit oder Freundschaft zu verweigern. Ich konnte nicht mit der Einfalt meines Dieners hassen.
Ich antwortete also nicht, und schweigend fuhren wir weiter – obwohl fahren vielleicht kaum das richtige Wort ist, um unser Vorankommen zu beschreiben. Wir schaukelten von einer Stelle auf die andere, wurden ständig angerempelt und im Gedränge fast umgestoßen. Stinkender Schlamm flog aus allen Richtungen in unsere Gesichter.
Mir schien es, als sei an diesem Abend die halbe Welt unterwegs in die westliche Vorstadt, um Unterhaltung zu suchen. Es hatte einfach keinen Sinn, zu Pferd oder in einem Wagen unser Ziel erreichen zu wollen. Ich bezahlte den Kutscher, und wir setzten unseren Weg zu Fuß fort.
Im Nu hatten wir uns verirrt. Mein Russisch war nicht besonders gut, und mein Versuch, mich nach dem Weg zu erkundigen, brachte uns nur auf Irrwege. Die meisten der bärtigen Händler und gravitätischen Orientalen schienen ebenso verwirrt und durcheinander zu sein wie ich selbst. Es dauerte eine ganze Weile, bis wir endlich die berühmte Vorstadt Kunavin erreichten.
Dieser Bezirk lag im äußersten Westen und war ganz und gar zweifelhaften Vergnügungen gewidmet. Als die Dunkelheit sich herabsenkte, strömten Gruppen von betrunkenen, lärmenden Nachtschwärmern aus den Speisehäusern und begannen, auf dem Weg zu Spielhöllen oder Hurenhäusern miteinander zu raufen. Darius holte sein Messer heraus und drängte mich, mich in Sicherheit zu bringen, aber ich wies seine ängstliche Fürsorge zurück. Ich würde keinen Schlaf finden können, ehe ich nicht festgestellt hatte, ob der seltsame Vogel, den ich einfangen sollte, bereits fortgeflogen war. Überall in Rußland gab es Jahrmärkte, und mir wurde kalt vor Panik bei dem Gedanken, ich könne in Nischni Pech haben. Durch kaiserliches Edikt war ich dazu verdammt, den riesigen, öden Kontinent zu durchkämmen, bis ich den verfluchten Magier gefunden hatte. Ich würde die ganze Nacht durch diese Straßen laufen, ehe ich die Hoffnung auf Erfolg an diesem Ort aufgab.
Eine Stunde später bog ich um eine Ecke, und da bot sich mir plötzlich der Anblick, nach dem ich gesucht hatte: das kirgisische Zelt, das der Pelzhändler aus Samarkand mir so minuziös beschrieben hatte. Der große, schwarze Schatten, oval geformt wie ein Bienenstock, wirkte unzugänglich und düster inmitten seiner glitzernden und verrufenen Umgebung. Ich war überrascht, denn meine erste Reaktion nach all der Mühsal, hierher zu gelangen, war der Impuls, mich umzudrehen und davonzulaufen. Während ich in der schlecht beleuchteten Straße stand, überwältigte mich ein machtvolles Vorgefühl von schlechtem Omen und tragischem Ausgang, wie ich es noch nie erlebt hatte. Alle meine Instinkte warnten mich davor, dieses Kuppelzelt zu betreten, das plötzlich so eigenartig bedrohlich wirkte. Meine Beine waren schwer wie Blei, als ich Darius anwies, auf mich zu warten, und zögernd die Binsenmatte anhob, die als Tür diente.
Es war, als sei ich in ein geheimnisvolles Schloß eingetreten. Alles, was ich sah, war rot, die Wände, der üppige persische Teppich auf dem Boden, die Wimpel, die von dem konkaven Dach herabhingen. Weiches, gedämpftes Kerzenlicht und sein starkes Aroma von Duftölen und Räucherwerk machten die Atmosphäre drückend, und eine seltsame, schwere Lethargie senkte sich über mich. Ich mußte blinzeln, um klar zu sehen, ehe ich den Mann erkennen konnte, der zwischen hohen Kissen wie auf einem Thron saß.
In krassem Gegensatz zu der Üppigkeit seiner Umgebung war er von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet, und sein Gesicht war völlig hinter einer weißen Maske verborgen. Das vermittelte den Eindruck von dunkler Macht, von kalter, überirdischer Majestät; es war, als träfe ich auf einen der alten mythologischen Götter. Er
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