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Kay Susan

Titel: Kay Susan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Phantom
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schaute nicht auf, als ich eintrat, und für eine lange Weile fuhr er fort, an einem komplizierten Zauberkasten herumzuhantieren, während ich in der Nähe der Tür wartete, verwirrt von einem zunehmenden Gefühl der Unsichtbarkeit.
    Er ignorierte mich so vollständig, daß ich zu der Überzeugung kam, er bemerke meine Anwesenheit gar nicht; infolgedessen gestattete ich mir, ihn mit unverhohlener Neugier anzustarren. Unwillkürlich fielen mir seine Finger auf, die außerordentlich dünn waren. Sie waren buchstäblich unmenschlich lang und bewegten sich mit einer anmutigen Gewandtheit, die merkwürdig faszinierend wirkte. Wie hypnotisiert beobachtete ich ihn; dann wurde mir plötzlich bewußt, daß er mich ebenfalls fixierte. Der prüfende Blick dieser reglosen Augen hinter der Maske machte mich sehr nervös. Es lag etwas Unheimliches, fast Reptilienhaftes in der Reglosigkeit dieser schwarzgekleideten Gestalt, etwas, das mich an eine Kobra denken ließ, die gleich zubeißen wird.
    »Für heute ist die Vorstellung zu Ende«, sagte er in fehlerfreiem Russisch. »Wenn Sie meine Fertigkeiten sehen wollen, müssen Sie morgen wiederkommen.«
    Erstaunt riß ich den Mund auf, denn nichts an seiner düsteren und strengen Erscheinung hatte mich auf seine Stimme vorbereitet. Selbst in diesen kurzen, kalten Worten war deren erstaunliche Melodik ganz unüberhörbar. Nur, wer ihn sprechen und singen gehört hat, wird jemals wissen, was eine Stimme sein kann, denn man muß die außerordentliche Resonanz und das tiefe Timbre erlebt haben, um die Größe seiner Macht wirklich zu verstehen. In diesem ersten Augenblick des Kontaktes fragte ich mich, ob ich einem Engel oder einem Teufel gegenüberstand; und noch heute, nach all diesen Jahren, stelle ich mir dieselbe Frage.
    »Ich bitte um Verzeihung für mein Eindringen«, sagte ich hastig und verfiel in meiner Verwirrung ins Persische. »Bitte verstehen Sie, ich komme nicht einfach als verspäteter Zuschauer, der unverschämt genug ist, eine Privatvorstellung zu erwarten.«
    »Unverschämt sind Sie allerdings«, erwiderte er in meiner Muttersprache. »Sagen Sie, was Sie von mir wollen, und fassen Sie sich bitte kurz.«
    Er sprach mit der Arroganz eines Königs zu mir, und unwillkürlich verfiel ich in die automatische Unterwürfigkeit, die ich normalerweise dem Schah vorbehielt.
    »Mein Herr, Ihr Ruhm ist weit verbreitet, weiter vielleicht, als Sie denken. Ich bin aus Persien gekommen, um Ihnen die persönliche Einladung des Schah-in-Schah zu überbringen.«
    Noch während ich sprach, wurde mir klar, daß ich meinen Auftrag stark übertrieb. Man hatte mir gesagt, ich solle diesen Mann holen, wie man mich angewiesen hatte, einen dressierten Affen mitzubringen. Doch plötzlich wurde mir deutlich bewußt, daß dies nicht so einfach sein würde.
    Er lachte leise, ein Geräusch, das mir die Haare auf den Handrücken zu Berge stehen ließ.
»Sie glauben also, daß ich nach den Launen eines Königs komme und gehe wie andere Menschen?« fragte er herausfordernd. »Nein«, sagte ich ruhig. »Ich sehe bereits, daß Sie nicht wie andere Menschen sind.«
Er lehnte sich in die Kissen zurück und betrachtete mich mit einem eigenartigen Ausdruck, den ich nicht zu ergründen vermochte.
»Sie sprechen wahrer, als Sie wissen, Perser. Vielleicht täten Sie besser daran zu schweigen!«
Er stand auf, und mir wurde kalt vor Furcht, als er einen Schritt in meine Richtung tat. Ich wußte, daß ich ihn erzürnt hatte, aber ich wußte nicht, wie oder warum.
»Angenommen, ich entscheide mich, Sie nicht nach Persien zu begleiten. Was wird dann aus Ihnen, Bote des Königs?«
Eine unbeschreibliche Bedrohung lag in seiner Stimme, und allein schon seine physische Nähe irritierte mich. Ich erkannte, daß nichts mich vor dieser unausgesprochenen Bedrohung retten konnte außer gewissenhafter und schmerzhafter Ehrlichkeit.
»Wenn meine Mission fehlschlägt, werde ich meine Stellung bei Hofe, meinen Lebensunterhalt und wahrscheinlich auch mein Leben einbüßen«, sagte ich schlicht.
Er schwieg einen Augenblick, betrachtete mich nachdenklich, und ich spürte, daß er hinter seiner Maske zu lächeln begonnen hatte.
»Welche Stellung haben Sie?« fragte er überraschend.
Ich machte eine ironische kleine Verbeugung. »Ich bin der Daroga von Mazenderan.«
»Aha!« Er verschränkte die Arme unter der Umhüllung seines schwarzen Umhangs. »Ich darf wohl annehmen, daß der Polizeichef mit einigen Bewaffneten gekommen

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