Kay Susan
Sirup in meine Kehle.
Als er mich wieder hinlegte, sah ich neben meinem Kopf den Koran liegen.
Da wußte ich, wie nahe ich dem Paradies gewesen war.
Während meine lebensgefährliche Erkrankung Eriks Besorgnis erregt hatte, schien meine Rekonvaleszenz ihn in höchstem Maße zu langweilen, denn er kam nicht wieder in meine Nähe, bis ich aufstehen konnte. Als ich einen unsicheren Versuch unternahm, meine Dankbarkeit zu zeigen, lachte er nur verächtlich und sagte, mein Tod wäre für ihn beim gegenwärtigen Stand der Dinge äußerst lästig gewesen.
Bei dieser Gelegenheit blieb er bis zum späten Abend in meinem Zelt und nutzte meinen geschwächten Zustand aus, um mir in einer Reihe von Schachpartien eine beträchtliche Geldsumme abzugewinnen. Doch schließlich, als ihn mein uninspiriertes Spiel zu langweilen begann, stand er auf, schob das Schachbrett weg und warf seinen Gewinn auf mein Kissen.
»Was soll das?« fragte ich überrascht.
Er zuckte die Achseln. »Sie sind müde, es war kein fairer Wettkampf. Aber hüten Sie sich, morgen werden wir die Einsätze verdreifachen, und glauben Sie mir, ich werde Ihnen nichts schenken.«
Er drehte sich um und schlenderte ohne ein weiteres Wort in die Nacht hinaus. Hinter ihm blies der Wind die Zeltklappen auseinander. Ich schleppte mich hin, um sie zu schließen, schaute dabei nach draußen – und sah, wie es geschah.
Ein Mann in Kalmückentracht stürzte sich mit einem Messer aus dem Dickicht auf ihn, doch ehe ich ein Wort der Warnung rufen konnte, fiel Erik wie eine Wildkatze über den Angreifer her.
Ein dünnes Lasso pfiff durch die Luft. Mit einem einzigen raschen, heftigen Ruck erdrosselte es den Räuber. Er fiel tot in den Schlamm. Ich war fassungslos über diesen blitzschnellen Reflex, eine automatische, gnadenlose Reaktion, die alle Instinkte eines Beutejägers in der Wildnis verriet, für den Töten so natürlich und alltäglich ist wie das Atmen. Mein Begleiter hatte schon früher getötet, viele Male; an dieser Tatsache konnte kein Zweifel bestehen.
Während ich noch mit entsetzt aufgerissenem Mund im Zelteingang stand, bückte sich Erik, um mit einer achtlosen Bewegung seiner Finger das Lasso zu lösen und in eine verborgene Tasche seines Umhangs zu schieben. Er war vollkommen beherrscht und gelassen. Hätte er einem Huhn den Hals umgedreht, hätte er kaum weniger Emotionen zeigen können. Diese tödliche Ruhe bestürzte mich ebensosehr wie die gnadenlose Schnelligkeit, mit der er getötet hatte.
Er stieß den Leichnam mit dem Fuß beiseite, blickte auf und sah mich dort stehen und ihn anstarren wie ein hirnloser Idiot.
»Gehen Sie wieder in Ihr Zelt, Daroga.« Ich hörte die Mißbilligung in seiner Stimme. »Ich fände es überaus mühsam, Ihnen zum zweiten Mal das Leben retten zu müssen.«
Ich kroch verwirrt in mein Bett zurück und versuchte, mich mit dem neuen und höchst unwillkommenen Wissen abzufinden: Dieser Mann war nicht nur der größte Zauberer, der bemerkenswerteste Bauchredner und der begnadetste Musiker, den ich je gesehen hatte. Er war auch der kaltblütigste Mörder. Nur ein selbstmörderischer Narr würde ihn anders als mit größtem Respekt behandeln.
4. Kapitel
Das kleine Schiff, das uns im Hafen von Astrachan erwartete, fuhr unter kaiserlich-persischer Flagge, und Eriks Eitelkeit wurde durch diesen Anblick soweit geschmeichelt, daß er ohne Protest an Bord ging. Ich versprach ihm Abgeschiedenheit während der Fahrt. Ich hätte ihm Mond und Sterne versprochen, um ihn sicher hinaus auf das Kaspische Meer zu bringen, wo ich mich einigermaßen darauf verlassen konnte, daß er mir nicht wieder davonlaufen würde.
Die letzte Etappe unserer Reise war glücklicherweise ereignislos, und nach einiger Zeit erblickten wir die große Dünenkette, die die Meeresküste von Mazenderan säumt. Hinter ihr lagen die murdabas, die toten Wasser, eine endlose Reihe von Lagunen, umgeben von dichtem Dschungel, Sümpfen und Treibsand. Alle möglichen Reptilien bewohnten diesen tödlichen Morast, und Wolken von Moskitos summten unablässig in der giftigen Luft. Sobald wir an Land waren, drängte ich hastig zur Weiterreise in die sanfte Luft von Ashraf, wo der süße, vertraute Duft der Zypressen darauf wartete, uns zu umfangen.
Die kleinen Häuser mit ihren geneigten Dächern, ihren breiten Veranden und ihren bunten Glasfenstern hatten nie schöner ausgesehen. Obwohl ich wußte, daß wir unverzüglich nach Teheran hätten eilen sollen, wo der Hof sich
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