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Kay Susan

Titel: Kay Susan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Phantom
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erklären?«
Mit einer Geste gleichgültiger Arroganz breitete er die Hände aus.
»Vielleicht ist es Ihnen lieber, statt dessen Ihren Mißerfolg zu erklären. Leben Sie wohl, Daroga. Genießen Sie Ihre Weiterreise auf diesem schwimmenden Packkarren!«
Als er sich umdrehte, um seine Pferde an Land zu führen, faßte ich seinen Ärmel.
»Warten Sie!« Ich wußte, wenn ich ihn jetzt aus den Augen verlor, würde ich ihn kein zweites Mal finden. »Geben Sie mir Zeit, das Abladen meiner eigenen Habseligkeiten anzuordnen, und wir reisen weiter, wie Sie es wünschen. Aber ich warne Sie, das Mißvergnügen des Schahs ist etwas, das man nicht leichtfertig riskiert. Der König der Könige liebt es nicht, wenn man ihn warten läßt.«
»Der König der Könige muß Geduld lernen«, sagte Erik kalt, »wie alle anderen.«
Das war die erste Gelegenheit, bei der ich mich seinen kapriziösen Launen beugte – die erste von vielen.
    Ehe wir Kasan verließen, bestand er darauf, das Mausoleum zu besichtigen, das sich ungefähr eine Meile außerhalb der Stadt befand. Da ich jetzt jede Hoffnung auf eine schnelle Rückkehr nach Persien aufgegeben hatte – und weil ich es nicht wagte, ihn auch nur eine Minute aus den Augen zu lassen –, war ich gezwungen, ihn durch die feuchten, übelriechenden Katakomben zu begleiten, um die Knochen jener zu bewundern, die drei Jahrhunderte zuvor bei der Belagerung von Kasan umgekommen waren.
Menschliche Überreste machten mich nervös, und ich war entsetzt, als er die Reste eines Skeletts aufzusammeln begann und sie, Knochen für Knochen, in einen Beutel tat.
    »Was wollen Sie damit?« fragte ich unbehaglich. »Sie wollen das doch nicht etwa nach Persien mitnehmen?«
»Doch, natürlich«, antwortete er ruhig. »Ich habe selten ein so gut erhaltenes Exemplar gesehen. Schauen Sie, man kann noch sehen, wo das Messer beim Eindringen in den Körper die Rippe durchtrennt hat.«
»Woher wissen Sie, daß es ein Messer war?«
»Ich habe genügend Leichen seziert, die an Messerstichen gestorben sind.«
»Seziert?« Ich starrte ihn entsetzt an. »Sie haben Sektionen durchgeführt?«
»Von Zeit zu Zeit. Es ist leider die einzige Möglichkeit, zu einem echten Verständnis des menschlichen Körpers zu gelangen. Ich habe ein akademisches Interesse an der Anatomie und Physiologie der menschlichen Spezies.«
Die Art, wie er von der »menschlichen Spezies« sprach, war ganz und gar ungewöhnlich. Es schien, als rechne er selbst sich dieser Spezies nicht zu. Ein Schauder ging durch meinen Körper, und ich war höchst erleichtert, als wir wieder draußen im Sonnenlicht standen. Ich stellte ihm keine Fragen mehr. Ich wollte nicht wissen, zu welcher Art sich der Mann zählte, der Skelette aus Gräbern sammelte und Tote sezierte, um ein »akademisches Interesse« zu befriedigen.
Ehe wir Kasan verließen, zeigte er zu meiner Bestürzung mehrmals neue Beweise äußerster Amoralität. Eines Nachts ging ich mit ihm durch die Straßen von »Klein-Moskau« und beobachtete zu meinem Schrecken, daß jedesmal, wenn wir an einem tatarischen Händler vorübergingen, eine Lederbörse den Besitzer wechselte und dann in irgendeiner verborgenen Falte von Eriks Umhang verschwand. Mir schien, als sprängen diese Börsen durch reine Zauberei in seine Finger, denn obwohl ich ihn genau beobachtete, konnte ich niemals den Moment entdecken, in dem seine Hand, seine Geisterhand, in die gut gefüllte Tasche des Händlers griff. Später begann ich zu verstehen, daß der einzige Grund, warum ich überhaupt etwas gesehen hatte, seine Absicht war, es mich sehen zu lassen. Er schien es zu genießen, daß er mich schockierte, und ich muß zugeben, daß seine Gesellschaft zwar höchst verwirrend war, aber nie auch nur für einen Augenblick langweilig.
Doch die Wirklichkeit holte mich schnell wieder ein, nachdem wir einmal die tatarische Pracht von Kasan hinter uns gelassen hatten. Während unserer endlosen Reise durch die Urwälder, die die Ufer der Wolga säumten, erlebte ich viele unbehagliche Momente. Wir waren nur eine kleine Gruppe und den Räuberbanden, die sich auf der Suche nach unachtsamen Reisenden entlang der Wasserstraße herumtrieben, hilflos ausgeliefert. Darius schlief mit einer geladenen Pistole neben seinem Lager und überredete mich, dasselbe zu tun. Erik jedoch schien der Gefahr gegenüber vollkommen gleichgültig; oft verschwand er ohne Ankündigung oder Erklärung allein im dichten Wald und blieb dem Lager die ganze Nacht fern.
Bei

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