Kay Susan
zerstören.«
Einen Moment herrschte Schweigen. Dann schlug Erik unvermittelt mit beiden Fäusten so heftig gegen das Fenster, daß die Scheibe zerbrach.
»Niemals habe ich eine Niederlage hingenommen!« schrie er. »Niemals! Und ich werde auch jetzt nicht damit anfangen. Ich werde einen besseren Weg finden, mich zu rächen.«
Als ich die glühenden Augen hinter der Maske anstarrte, fürchtete ich plötzlich, soeben unwissentlich das Todesurteil des Großwesirs besiegelt zu haben.
Zwei Monate vergingen recht friedlich, und ich begann zu hoffen, Eriks rachsüchtige Wut habe sich abgekühlt.
Der Großwesir blieb in Gefangenschaft, und seine Frau kostete alle seine Speisen vor, um ihn vor dem Gift zu schützen, das das Leben so vieler gestürzter Günstlinge beendet hatte. Es hieß, er habe so große Angst vor Verrat, daß er die Gemächer seiner Frau keinen Augenblick verlasse, nicht einmal zum Baden.
Im Januar verschwand Erik unerwartet vom Hof. Keiner seiner Diener konnte mir sagen, wohin er gegangen war oder wann er zurückkommen würde, und ich verspürte tiefes Unbehagen. Ich wußte, er wäre ohne mich nicht nach Mazenderan zurückgekehrt. Wohin sonst konnte er also gegangen sein?
Einige Abende später, als überall im Palast Gerüchte kursierten, der Großwesir sei ermordet worden, ging ich tief bedrückt in Eriks Gemächer, entschlossen, auf seine Rückkehr zu warten.
Düster saß ich da und brannte darauf, jene Frage zu stellen, die wie Säure in mir fraß.
Haben Sie ihn umgebracht, Erik? Haben Sie ihn umgebracht?
Inzwischen hatte ich die Geschichte genau im Kopf. Ich kannte sie auswendig, jedes verräterische Detail, alle bis auf eines, das ich unbedingt in Erfahrung bringen mußte.
Eine Dame des Harems war nach Kaschan geschickt worden mit der Nachricht, der Großwesir dürfe sich ehrenhaft nach Kerbella zurückziehen. Als man ihm sagte, der »Mantel der Ehre« sei gerade jetzt auf dem Weg zu ihm, hatte sich der Großwesir überreden lassen, zum ersten Mal seit seiner Gefangensetzung die Räume seiner Frau zu verlassen, um sich im Bad zu reinigen. Dort hatten ihm die Mörder des Schahs aufgelauert, und nachdem sie ihm angeboten hatten, die Todesart zu wählen, waren ihm auf seine Bitte hin mit einer rituellen Zeremonie die Pulsadern geöffnet worden. Die Mörder waren noch nicht namentlich bekannt.
Kurz nach Mitternacht betrat Erik den Raum. Falls er überrascht war, mich dort zu finden, so zeigte er das nicht. Er warf seinen Hut und seinen Umhang einem bereitstehenden Diener zu und schickte den Mann hinaus.
»Wo sind Sie gewesen?« fragte ich schroff.
»An keinem Ort, der Sie etwas anginge«, antwortete er ruhig.
»Es ist meine Aufgabe, jederzeit genau zu wissen, wo Sie sind. Sie wissen, daß ich dem Schah gegenüber für all Ihre Aktivitäten verantwortlich bin.«
»Übertreiben Sie Ihren Auftrag nicht«, versetzte er plötzlich. »Ich bin kein Gefangener in einem Ihrer elenden Kerker in Mazenderan.«
Ich sah zu, wie er mit einem zierlichen Löffel aus Birnenholz Sorbet in ein Glas löffelte.
»Mirza Taqui Khan . . . « begann ich zögernd. »Was wissen Sie über seine Tragödie?«
»Ich weiß, daß er tot ist. Ich würde das kaum als Tragödie bezeichnen.«
»Nein?« erwiderte ich bitter. »Und was ist mit seiner Frau, mit seinen kleinen Kindern? Davon wollen Sie nichts hören, nicht wahr? Sind Sie in Kaschan gewesen, Erik?«
Er starrte mich schweigend und mit seltsam traurigen Augen an.
»Antworten Sie mir!« schrie ich, plötzlich so außer mir, daß ich mich kaum beherrschen konnte. »Sind Sie mit seinen Mördern in Kaschan gewesen, ja?«
Erik griff in den weiten Ärmel seines Magierumhangs und holte ein kleines emailliertes Kästchen hervor, das er mir reichte.
»Hier ist Ihre Antwort«, murmelte er grimmig. »Seien Sie sehr vorsichtig, wenn Sie es öffnen.«
Ich trug das Kästchen zu einer Öllampe und hob behutsam den Deckel. Auf rotem Samt lauerte ein gereizter schwarzer KaschanSkorpion mit aufgerolltem Schwanz, zum Zustechen bereit. Das plötzliche Licht störte ihn, er schoß auf den geöffneten Deckel zu, und in meiner Panik fiel mir das Kästchen zu Boden.
Ich spürte den Biß unmittelbar über meinem Fußknöchel und keuchte erschrocken bei dem glühenden Schmerz.
Erik bewegte sich blitzschnell. Eine Sekunde später war der Skorpion mit der Spitze seines Messers an den Boden genagelt . . . dasselbe Messer vermutlich, das dem Großwesir den letzten Dienst erwiesen hatte.
»Sie verdammter
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